Die Marquise de Brinvilliers – Eine schöne Giftmörderin (Frankreich, 1667)

Die Marquise de Brinvilliers stammte aus einem alten, französischen Geschlecht. Ihr Vater, Drogo d`Aubray, ein geachteter Beamter, verheiratete seine Tochter Maria Margaretha d`Aubray mit dem Marquis de Brinvilliers, der seiner Braut in der Abkunft ebenbürtig war.
Der Marquis, Oberst in königlichen Diensten und Kommandeur des Regiments Normandie, war ein Lebemann, Wüstling und Verschwender, wie die Mehrzahl der französischen Edelleute jener Zeit und spielt in der Geschichte seiner Gattin keine weitere Rolle.

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Madame Brinvilliers auf einer Abbildung aus dem 19. Jahrhundert, Sammlung Kirchschlager
Die Marquise de Brinvilliers war schön und von mittelmäßiger Größe. Sie hatte ein rundes, freundliches Gesicht, wurde bewundert, angebetet und gefeiert, und das noch, als schon ein großer Teil ihres Lebenswandels bekannt sein mußte.
In den Akten erscheint als ihr Verführer ein Mann mit dem Namen Sainte-Croix, ein mittelloser Abenteurer.
Die Marquise de Brinvilliers suchte das Vergnügen, und Sainte-Croix wußte es zu finden. Sainte-Croix wurde als Freund des Marquis de Brinvilliers in dessen Haus eingeführt, und wurde bald der unentbehrliche Hausfreund und der stille Anbeter, Geliebter und – Lehrer der Hausfrau.
Die Verschwendungssucht des Marquis brachte sein Vermögen in solche Unordnung, daß seine Gattin sich für berechtigt hielt, ihr eingebrachtes Geld zurückzunehmen und eine gesonderte Wirtschaft zu führen. Dieser Schritt sprengte in der Regel die letzte Schranke des äußeren Anstandes. Die Marquise wurde dadurch frei und konnte nun nach ihren Neigungen leben.
Aufgrund der ärgerlichen Geschichten ließ Herr von Aubray den Kapitän auf offener Straße verhaften und zwar im Wagen und an der Seite der Marquise. Sainte-Croix wanderte in die Bastille. Das Mittel war das am unglücklichsten gewählte, ja, es verwandelte zuerst die liebeglühende, aber unschädliche Sünderin zu einer gefährlichen Verbrecherin.
Da sie vor ihrem Vater jeden weiteren Umgang mit dem Abenteurer abschwor, gelang es ihr, ihn zu täuschen und sich mit ihm zu versöhnen. Inzwischen machte Sainte-Croix in der Bastille mit einem gefangenen Italiener namens Erili Bekanntschaft.
Erili stellte ihm die Torheit vor, einem Feind einen tödlichen Stoß beizubringen, damit dieser schnell und ziemlich schmerzlos sterbe, während den Rächer seiner Ehre dafür eine lange Untersuchung und ein grausamer schimpflicher Tod erwarte. Er machte ihn darauf aufmerksam, wie man in Italien feine und versteckte Gifte zuzubereiten verstehe, die das Auge und die Kunst des geschicktesten Arztes betrogen. Einige wirkten langsam und verzehrten den Körper nach und nach durch tödliche Mattigkeit, andere griffen geschwind und heftig an.
Beide aber ließen keine Spur nach sich, aus der man die wahre Ursache des Todes erraten könnte. Sainte-Croix wurde ein gelehriger Schüler. In den dunklen Räumen der Bastille herrschte genug Stille und Verschwiegenheit, den Lehrkursus in der höllischen Pharmazie zu beginnen. Was hier sein Eifer und seine Wißbegier nicht erreichten, das vollendete er später in seinem fortgesetzten Selbststudium.
Sainte-Croix kam nach Verlauf eines Jahres wieder frei, doch statt in aller Öffentlichkeit, traf er sich nur noch heimlich mit der Marquise von Brinvilliers. Der Kriminalprozeß der Brinvilliers ist nicht aktenmäßig getreu überliefert. Das erste Opfer, welches Sainte-Croix seiner Rachsucht opfern wollte, war der Vater der Marquise, die seine Komplizin wurde. Versöhnt nahm dieser seine Tochter mit auf eine Reise zu seinem Landsitz Offremont. Hier kümmerte sie sich liebevoll um ihn und reichte selbst die Speisen. Als sie ihm eine vergiftete Suppe reichte, stand sie mit unerschütterlichen Zügen vor dem Vater, und sah das tödliche Gift mit der Miene einer zärtlich teilnehmenden Tochter in seine Eingeweide rinnen. Schon nach wenigen Minuten bekam der Vater ein heftiges Erbrechen, unerträgliche Magenschmerzen und eine Hitze, die seine Eingeweide verbrannte. Die betrübte Tochter ließ ihren Vater nun nicht mehr aus den Augen. Nach wenigen Tagen unterlag er, noch nach Paris geschafft, dem Gift. Da niemand einen Verdacht hegte, wurde der Marquise nicht obduziert.
Die Brinvilliers soll das Gift vorher an Tieren, Armen und ihrer Kammerjungfer Francisca Roussel erprobt haben. Hierfür fehlen jedoch Beweise.
Das Erbe wurde unter die Geschwister aufgeteilt, wovon ein großer Teil an die beiden Brüder der Madame Brinvilliers ging. Aus diesem Grund war auch ihr Tod bestimmt. Sainte-Croix hatte ruchlose, ihm treu ergebene Gesellen zu seinen Diensten: Martin, eine Art Sekretär und La Chausée, der sich für Geld zu allem gebrauchen ließ. Dem letzteren verschaffte die Brinvilliers eine Stelle bei ihrem jüngeren Bruder, der bei seinem älteren Bruder, dem Zivilleutnant wohnte. Dieser sollte zuerst aus der Welt geschafft werden. La Chaussée versprach man für den Fall des Gelingens 100 Pistolen und eine lebenslängliche Pension. Da jedoch der erste Versuch mißlang, schritt man zu einem kecken Streich. Mit einem Schlag sollten mehrere Personen vergiftet werden.
Anfang April 1670 begaben sich die beiden Brüder sowie La Chaussée auf das Landgut des Zivilleutnants nach Villeguoy. Bei einer Mahlzeit wurde eine Pastete aufgetragen. Sieben Personen, die davon aßen, wurden schwer krank. Die übrigen, die die Pastete vorübergehen ließen, blieben gesund und munter. Beide Brüder gehörten jedoch zu den ersteren und litten an heftigem Erbrechen. Als sie am 12. April nach Paris zurückkehrten, sahen sie aus, als hätten sie eine langwierige und harte Krankheit ausgestanden.
Sainte-Croix ließ sich während dieser Zeit von der Marquise zwei Verschreibungen ausstellen, die eine von 30.000 Livres auf seinen, die andere von 25.000 Livres auf den Namen seines Sekretärs Martin – das Blutgeld für die Morde.
Am 17. Juni erlag ihr Bruder seinen Qualen. Bei der Öffnung des Leichnams fanden sich alle Anzeichen der Vergiftung. Der Magen, der Zwölffingerdarm waren schwarz wie gekocht, die Leber angefressen und brandig. Verdächtige fanden sich indes nicht. Sein Bruder, mit den gleichen Symptomen behaftet, starb drei Monate später.
Indessen hatten die drei Todesfälle den Erbschaftshunger der Marquise noch nicht gesättigt. Noch blieb eine Schwester übrig. Doch diese wußte sich dem Gift zu entziehen und starb, allerdings vor der Hinrichtung ihrer verbrecherischen Schwester, eines natürlichen Todes, vielleicht aber aus Schrecken und Entsetzen. Es wird auch erzählt, daß die Brinvilliers ihrem Gatten Gift einflößte, aber Sainte-Croix soll, um nicht in dessen Fußstapfen folgen zu müssen, ihn jedes Mal mit Gegengift gerettet haben.
Die Entdeckung des Verbrecherkomplotts erfolgte auf eine romanhafte Weise. Sainte-Croix betrieb die Giftmischerei als Wissenschaft auch ohne bestimmte neue Zwecke weiter. Die Gifte, deren Natur er studierte waren so feiner Art, daß ein Atemzug während des Arbeitens und Kochens ihm das Leben gekostet hätte. Aus diesem Grund bediente er sich in seinem Laboratorium einer gläsernen Maske, um die Ausdünstungen abzuhalten. Eines Tages aber fiel die Maske, als er über den Tiegel gelehnt stand, ab und er starb auf der Stelle.
In seinem Nachlaß fand die Obrigkeit ein Kästchen. Nach einem Schriftstück Sainte-Croix sollte dies sofort der Marquise Brinvilliers überreicht werden oder, falls die Dame schon tot sei, verbrannt werden. Das Kästchen enthielt neben mehreren mit „S“ versiegelten Papieren viele Pakete mit sublimiertem Merkur, kalziniertem und präpariertem Vitriol, einige Flaschen mit anscheinend klarem Wasser, auf deren Boden sich ein weißlicher Satz befand5, einen Porzellantopf mit präpariertem Opium, ferner Merkur als Pulver, Höllenstein, Antimonium, ein Paket Pulver mit der Aufschrift das Blut der Weiber zu stillen, ein Paket mit sechs Siegeln verschlossen und in diesem 27 kleine Papierpäckchen mit der Überschrift verschiedene sonderbare Geheimnisse, endlich sechs zusammengeschlagene Pakete mit nicht weniger als 75 Pfund sublimierten Merkurs, welche an verschiedene Personen adressiert waren. In der Folgezeit versuchte die Marquise mehr als einmal in den Besitz des Kästchens zu gelangen, aber umsonst. Schließlich machte sich auch noch La Chaussée verdächtig und wurde verhaftet. Die Marquise flüchtete nach Lüttich.
Nachdem man La Chaussée gefoltert hatte und er alles gestand, wurde er am 4. März 1673 überführt und anschließend auf dem Grèveplatz gerädert. Die Brinvilliers sollte enthauptet werden. Um ihrer habhaft zu werden, schickte die Pariser Polizei den Sergeanten Desgrais der berühmten Marechaussée in die damals deutsche Reichsstadt Lüttich. Der Rat der Sechziger in Lüttich entschied sich, der französischen Requisition Folge zu leisten, hielt sich allerdings neutral und überließ die Festnahme den Franzosen. Jacob Daniel Ernst weiß, daß die Brinvilliers sogar mit dem Bürgermeister Lüttichs eine Liebschaft begann und daß dieser, zur Belohnung dieses Dienstes, eine tödliche Giftsuppe erhielt. Er war es, der den Franzosen verraten haben soll, daß sich die Brinvilliers in Lüttich aufhielt.
Die Marquise hatte sich inzwischen in ein Kloster geflüchtet. Trotz der Ermächtigung Seitens der Sechziger wagte Desgrais, nicht, sie dort auszuheben. Desgrais steckte sich in ein geistliches Habit, machte der Marquise als galanter Abbé seine Aufwartung und trickste sie aus. Statt die schöne Sünderin in seine Arme zu nehmen, übergab er sie denen seiner Häscher.
Desgrais ging sorgsamer zu Werke als Commissair Picard bei der Untersuchung des Nachlasses von Sainte-Croix. Dort wurde, wohl um hochgestellte und mitverschworene Persönlichkeiten zu schützen, ein Schriftstück mit der Aufschrift Meine Beichte verbrannt. Desgrais holte aus den Wertpapieren der Brinvilliers ein ähnliches Papier, welches sie ihre Beichte nannte.
Die Marquise versuchte zu fliehen, aber Desgrais bewachte sie auf Schritt und Tritt. Schließlich wollte sie ihrem Leben selbst ein Ende bereiten. Sie versuchte dies durch das Verschlucken einer Nadel, aber einer der Wächter bemerkte den Versuch und hinderte sie daran.

Die Beichte der Marquise Brinvilliers findet man bei Cesare Lombroso. Der Inhalt der sogenannten „Beichte der Marquise Brinvillier“ ist Folgender: „Ich bekenne, Feuer angelegt zu haben. – Ich habe mein Verlangen an meinen Bruder gestillt, an Diesen oder an Jenen denkend. – Ich bekenne, selbst Gift genommen zu haben. – Ich bekenne, einer Frau Gift zur Ermordung ihres Mannes gegeben zu haben. – Ich bekenne, meinen Vater nicht geehrt und ihm nicht die schuldige Achtung erwiesen zu haben. – Ich bekenne, Incest begangen zu haben, dreimal in jeder Woche, zusammen vielleicht dreihundertmal, et manustuprationes (Onanie) vierhundert oder fünfhundertmal. Und ich habe Liebesbriefe geschrieben; ich bekenne dadurch allgemeinen Anstoss erregt zu haben, auch bei meiner Schwester und einer Verwandten. Ich war ein junges Mädchen und er ein Knabe. – Ich habe mehrfach mit einem verheiratheten Manne Ehebruch getrieben, vierzehn Jahre lang. Ich bekenne, ihm, der mich ruinirt hat, viel Geld und Gut gegeben zu haben.
Ich bekenne, ihm gefolgt zu sein, um mich mit ihm zusammenzufinden, obgleich mein Vater, nachdem er das grosse Aergernisss gesehen hatte, ihn interniren liess. Unter meinen Kindern sind zwei die Früchte dieser Liebe. Ihr werdet sehen, wie ich sie versorgen will.
Ich bekenne, mit einem Cousin germain zweihundertmal fleischlich verkehrt zu haben. Er war ehelos, unter meinen Kindern ist eines von ihm.
Dreihundertmal habe ich mit einem Cousin germain meines Mannes verkehrt. Er war verheirathet.
Ich bekenne, dass ein Jüngling me stupravit (mich schändete), als ich sieben Jahre alt war.
Ich bekenne, manu peccavisse virgunculam super me, indem ich mich an ihn drängte.
Ich bekenne, meinen Vater selbst vergiftet zu haben. Ein Diener reichte ihm das Gift. Es nagte an mir, dass dieser Mann gefangen gesetzt wurde. Ausserdem begehrte ich sein Vermögen. Ich habe meine beiden Brüder vergiften lassen, und ein Jüngling ist dafür gerädert worden. – Ich habe meinem Vater oft den Tod gewünscht und meinen Brüdern dreissigmal. – Ich hatte den Wunsch, meine Schwester vergiften zu können, die meine Lebensführung abscheulich nannte.
Einmal habe ich Droguen genommen, um zu abortiren (abzutreiben). – Ich bekenne, meinem Manne fünf oder sechsmal Gift gegeben zu haben. Ich bereute es, habe ihn gut pflegen lassen, und er genas; aber seitdem ist er immer kränklich. Es geschah, um meine Freiheit zu erlangen.
Ich bekenne, Gift genommen und einer meiner Kreaturen, weil sie sich etwas herausnahm, Gift gegeben zu haben. Ich habe siebenmal ohne den Vorsatz der Besserung zu Ostern gebeichtet und kommunicirt. Ich habe dann dasselbe Leben und dieselbe Unordnung (désordres) fortgesetzt, ohne zu beichten. Ich habe ein Haus auf unseren Gütern anstecken lassen, um mich zu rächen.“

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Die Verteidigung der Giftmischerin übernahm der Advokat Nivelle. Der Hauptinhalt seiner Verteidigungsschrift zerfällt in zwei Teile. Er räumt die verdammliche Leidenschaft der Brinvilliers zu Sainte-Croix ein, sucht darzutun, daß dieser ruchlose Bösewicht die Giftmorde allein und zu privaten Zwecken verübt habe. Die Marquise sei dagegen getäuscht worden.
Desweiteren beruft er sich auf die Heiligkeit der Beichte und auf alles, was damit im Zusammenhang steht. Die Heiligkeit dieses Sakramentes und damit die Geheimhaltung der Beichte sei für das wohl des Ganzen von weit größerer Wichtigkeit als die Bestrafung eines einzelnen Verbrechers.

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Schließlich kam die ganze Wahrheit doch an den Tag. Das Strafurteil wurde am 16. Juli 1676, bei Versammlung der großen Kammer und der Kriminalkammer des Parlaments über die Maria Margaretha dÀubray, Marquise von Brinvilliers, gesprochen. Sie wurde darin als überführt und überwiesen betrachtet, ihren Vater, Drogo dÀubray, und ihre zwei Brüder mit Gift ums Leben gebracht und ihre Schwester nach dem Leben getrachtet zu haben. Zur wohlverdienten Strafe soll sie „auf einem Karren, mit bloßen Füßen, einen Strick um den Hals, und in der Hand eine brennende Kerze, zwei Pfund schwer, an die Thüre der Hauptkirche von Paris gebracht werden und daselbst dergestalt Kirchenbuße thun solle, daß sie auf ihren Knieen zu bekennen habe: sie habe aus Ruchlosigkeit, Rachsucht und Geldbegierde gedachte Angehörige vergiftet oder ihnen nach dem Leben getrachtet. Demnach soll sie auf den Greveplatz abgeführt und ihr daselbst auf einem dazu errichteten Schaffot der Kopf abgehauen, der Körper verbrannt und die Asche in die Luft gestreut werden. Ehe diese Strafe jedoch an ihr vollstreckt werde, solle sie auf die ordentliche und außerordentliche Folter gebracht werden, um ihre Mitschuldigen anzugeben.“
Außerdem folgten die gewöhnlichen Geldbußen und daß sie der Erbfolge in das Vermögen der Ermordeten für verlustig erklärt wurde.

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Man versagte ihr das Abendmahl und den Wunsch, das gesegnete Brot zu genießen. Als sie während ihrer Hinrichtung an einer Ecke mehrere vornehme Damen ihrer Bekanntschaft ansichtig wurde, blickte sie dieselben scharf an und sagte spöttisch: „Wahrhaftig, meine Damen, ein schönes Schauspiel für ihre Neugier!“

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Madame Sevigné sah die Brinvilliers nach der Kirchenbuße, im Hemd, rückwärts auf Stroh, eine niedrige Haube auf dem Kopf, den Nachrichter auf der einen Seite, den Geistlichen auf der anderen, auf dem Karren sitzen. Die Marquise bestieg allein und mit viel Mut barfuß das Schaffot. Dort hätten sich die Scharfrichter wohl noch eine Viertelstunde mit ihr zu schaffen gemacht, sie besehen, gebunden, ihr die Haare hinaufgestrichen, sie hin und her gerichtet, so daß es greulich anzusehen war und die Zuschauer zu murren anfingen.