Gerd Frank: Der Fall Herman Webster Mudgett alias Henry Howard Holmes (1886–1894)

Herman Webster Mudgett wurde am 24. November 1860 in Gilmanton im US-Bundesstaat New Hampshire geboren. Mudgett erlebte eine sorgenfreie Kindheit, seine schulischen Leistungen waren hervorragend, später arbeitete er eine Zeitlang als Lehrer.

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1878 heiratete Mudgett seine erste Frau Clara Lovering, von der er sich jedoch schon bald wieder trennte. Er ging nach Michigan und studierte an der dortigen Ann Arbor-Universität Medizin. Nach dem Studium ließ er sich als frei praktizierender Arzt in New York nieder. Schon damals machte sich seine beachtliche kriminelle Energie bemerkbar: Mudgett schloß Lebensversicherungen auf erfundene Namen ab, stahl die Leichen kürzlich Verstorbener aus Krankenhäusern und gab diese in der Folge als die versicherten Personen aus. Anschließend kassierte er die Versicherungssummen.
Der Schwindel flog relativ schnell auf, und so mußte er aus New York fliehen. Mudgett änderte seinen Namen in Henry Howard Holmes ab und tauchte unter diesem neuen Namen 1886 in Chicago wieder auf, wo er eine Arbeitsstelle in der Apotheke einer gewissen Frau Holden fand. Der Arzt heiratete Myrta Z. Belknap, ohne von der ersten Frau offiziell geschieden worden zu sein (das bedeutete Bigamie), mit der er eine Tochter, Lucy, bekam. Aber auch diese Ehe hielt nicht lange.
Mit Frau Holden freundete er sich immer mehr an. Allerdings verschwand Frau Holden eines Tages spurlos. (…) In der Folgezeit gelang es ihm, ein beachtliches Vermögen zu erwerben, womit er sich zu Beginn der 1890er Jahre ein dreistöckiges Hotel bauen ließ. Doch dieses Gebäude war kein „normales“ Hotel, sondern wahrlich ein Haus des Horrors. Es gab darin Falltüren, versteckte Räume und Geheimgänge. Im Keller befanden sich ein spezieller Foltertisch, ein Säurebad sowie eine Gaskammer.
Mudgetts „Wirkungsbereich“ und die Räume, in denen die Verbrechen geschahen, erstreckten sich über den ersten Stock. Im Stockwerk darüber befanden sich die eigentlichen Hotelzimmer. Die Rezeption und ein Warteraum lagen im Erdgeschoß. Der Keller war der „Entsorgung“ vorbehalten. (…)

Als 1893 in Chicago die Weltausstellung eröffnet wurde, war auch sein „Hotel“ fertig geworden, das von Anfang an rege besucht wurde. Kein Mensch konnte ahnen, daß nur die wenigsten der Besucher das Gebäude wieder lebend verließen (…)
Da immer mehr Menschen aus Mudgetts unmittelbarer Umgebung verschwanden und überdies zahlreiche Gäste seines „Hotels“ nie wieder nach Hause zurückkehrten, regte sich Mißtrauen unter den Leuten, weshalb sie sich hilfesuchend an die Polizei wandten. Die vermutete zunächst bloßen Versicherungsbetrug und stellte umfangreiche Nachforschungen an. Von diesem Zeitpunkt an wurde Mudgett intensiv observiert.
Schließlich sah er keinen anderen Ausweg mehr, als sein Hotel niederzubrennen, was er 1895 auch tat. Danach verschwand er wieder einmal (…)
Nachdem Mudgett im Rahmen eines erneuten Versicherungsbetruges einen seiner Partner, Benjamin Pietzel, und drei von dessen Kindern ermordete, kam ihm endlich die Polizei auf die Spur. Am 17. November 1895 drang sie in sein Haus, untersuchte seine Kellerräume und nahm ihn fest. In langen Verhören gab er schließlich den Dreifachmord sowie weitere 24 Tötungsdelikte in Chicago zu. (…)
Das Hotel verfügte über zahlreiche Geheimgänge und versteckte Räume mit Beobachtungslöchern. Wenn ihm danach war, überwältigte er seine Opfer und verschleppte sie in die geheimen Kellerräume. Dort gab es unter anderem eine Folterbank, auf der er manche Opfer lebendig malträtierte und tötete. An einigen Leichen führte er Versuche durch, zerstückelte sie und zog ihnen die Haut ab. Die Leichen legte er in Säurebäder, bis kein Fleisch mehr am Skelett dran war. Dann schraubte er die Knochen zusammen und verkaufte die Skelette an Universitäten oder medizinische Institute. Andere Leichen wurden im Heizofen oder in Kalkgruben „entsorgt“. (…)
Viele Überlegungen sprachen dafür, daß in Wirklichkeit zwischen hundert und zweihundert Morde auf sein Konto gehen mochten. Der Prozeß begann am 30. November (…). Am Morgen des 7. Mai 1896 wurde er im Philadelphia Country-Gefängnis gehenkt. Andere Quellen behaupten, er sei im Moyamensing-Gefängnis hingerichtet worden. Leseprobe aus Gerd Frank: Totmacher 5.