Gerd Frank: EL COMPAYITO, DER KLEINE KUMPEL – Der Fall Oscar Osvaldo García Montoya (2002? bis 2011)

Der organisierte Drogenhandel ging lange Zeit im Prinzip immer nur von Kolumbien aus, wo die Kartelle von Calí und Medellin ihre Fäden spannen. Um Drogen auch in die USA liefern zu können, erkor man den mittelamerikanischen Raum als bequeme Landbrücke aus. Als aber aufgrund des alsbald boomenden Handels die Mexikaner merkten, welche Unsummen dabei zu verdienen waren, rissen sie in kürzester Zeit das gesamte Geschäft an sich allein: Sie übernahmen Anbau und Transport in eigener Hand. Zentrum wurde der Bundesstaat Sinaloa. In der Folge entstanden neben ‚Sinaloa‘ auch die Kartelle ‚Golf‘, ‚Juárez‘, ‚Tijuana‘, ‚La Familia Michoacana‘ und ‚Los Zetas‘.

Experten gehen davon aus, daß diese Kartelle inzwischen weltweit in 47 Ländern aktiv sind, wobei von jährlichen Gewinnsummen in Höhe von 25 Milliarden US-Dollar (etwa 18,7 Millionen Euro) die Rede ist. Der ehemalige Polizist und Gouverneursleibwächter Miguel Angel Felix Gallardo, alias ‚El Padrino‘ (Der Pate) gilt als Begründer des blühenden mexikanischen Drogenhandels. Er begann damit, das in Sinaloa angebaute Marihuana und Heroin zusammen mit dem kolumbianischen Kokain in die USA zu transportieren, dann erweiterte er das Angebot um synthetische Drogen. Die aus Asien gelieferten Grundsubstanzen wurden über die Pazifikhäfen in die mexikanischen Drogenlabors geliefert, dies ist auch heute noch der Fall. Ermöglicht wurde das durch eine enge Verbindung zu den Staatsorganen auf allen Ebenen und eine unvorstellbar hohe Korruption.

Der mexikanische Präsident Felipe Calderón sagte zwar bei seinem Amtsantritt 2006 den mächtigen Drogenbanden des Landes den Kampf an, doch konnte er zu keiner Zeit entscheidende Erfolge verbuchen. Zwar konnte das Militär immer wieder Erfolge vermelden wie etwa im August 2011, als Oscar García Montoya, der Chef einer Killerbande, die für mehr als 900 Morde verantwortlich sein soll, festgenommen werden konnte. Doch die Drogenkartelle antworteten darauf mit noch grauenvollerer Gewalt. So gab es beispielsweise im gleichen Monat einen Überfall auf ein Spielcasino in der Stadt Monterrey. Dabei stürmten mehrere Attentäter das Gebäude und steckten es in Brand, wobei mehr als 50 Menschen starben. Im Jahre 2010 ließen die Drogenbosse einen Bürgermeister steinigen, der 60 korrupte Polizisten entlassen hatte. Als Vergeltung für die Sicherstellung von 134 Tonnen Marihuana mußten wahllos 13 Menschen in einer Entzugsklinik sterben. Aus Angst vor der Gewalt der Kartelle sind im Land Mexiko nach Statistiken für die Vereinten Nationen mittlerweile mindestens 120000 Menschen auf der Flucht. Experten bezweifeln inzwischen, daß der Kampf gegen die Drogenkartelle zu gewinnen ist, denn neuerdings expandiert das Geschäft auch schon über Afrika.

García wurde 1974 oder 1975 in Guasave (Sinaloa) geboren und war ursprünglich Soldat bei der mexikanischen Marine gewesen, wo er jedoch desertierte, um danach als Polizist in Baja California und Sinaloa zu arbeiten. Er kämpfte bei den Kaibiles, einer für zahlreiche Menschrechtsverbrechen bekannten Elilteeinheit der Guatemaltekischen Armee. Etwa seit November 2010 verdächtigten ihn die Behörden zahlreicher Morde in Mexiko. García soll zunächst als Leibwächter von Edgar Valdez Villareal für das sogenannte Beltrán-Leyva-Kartell gearbeitet haben. Als der jedoch am 30. August 2010 festgenommen worden war, soll er dann die Organisation ‚Mano con Ojos‘ (Hand mit Augen) gegründet haben und in den Drogenkrieg des Landes eingestiegen sein. Dieser Organisation werden inzwischen mehr als 900 Morde zur Last gelegt; die Ausbildung war in Guatemala erfolgt.

In der Nacht zum 11. August 2011 war in Tlalpan – im Süden der mexikanischen Hauptstadt – Oscar García, der auch als ‚Carlos‘, ‚Ricardo‘ oder ‚El Compayito‘ (Der kleine Kumpel) bekannt gewesen war, festgenommen worden. Auf ihn war ein Kopfgeld von etwa 300000 Euro ausgesetzt gewesen, denn die Gruppe hatte zuletzt immer mehr Schrecken verbreitet, weil sie zahlreiche abgetrennte Köpfe in den Straßen deponiert hatte. „Wenn du zur Polizei gehst, legen wir dir deinen Sohn in kleinen Stücken vor die Tür“, hatte El Compayito, der ‚Kleine Kumpel‘, gerne und häufig gedroht. Daß er das ernst meinte, war klar – erst recht nach den ersten Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft. Da prahlte García damit, „persönlich an 300 Morden beteiligt“ gewesen zu sein „und weitere 300 angeordnet“ zu haben.

Ob diese Zahlen stimmen, ist derzeit noch unklar. Feststeht, daß Staatsanwalt Castillo von 29 Exekutionen im Bundesstaat Mexiko ausgeht, zehn Menschen soll er in Mexiko-Stadt geköpft haben. „García hat darauf hingewiesen“, sagte der Staatsanwalt vor der Presse, „daß seine Ausbildung speziell auf das Töten ausgerichtet gewesen sei“. Bei dem Polizeieinsatz waren Beamte zunächst irrtümlich in das Haus des bekannten Dichters Efraín Bartolomé und zweier Nachbarn eingedrungen. Dabei war Bartolomé bedroht, zu Boden gestoßen und gegen den Kopf geschlagen worden. Die Staatsanwaltschaft entschuldigte sich später für die Panne.

García hat inzwischen ein umfassendes Geständnis abgelegt (das übrigens von der Polizei aufgezeichnet und im mexikanischen Fernsehen ausgestrahlt worden ist); dabei hat er zugegeben, den Drogenhandel in Teilen der mexikanischen Hauptstadt sowie fünf umliegenden Bezirken kontrolliert zu haben. ‚Manos con Ojos‘, der Name seiner Organisation, geht übrigens auf die populäre Figur eines mexikanischen Entertainers zurück, der seinen Arm mit zwei aufgeklebten Augen als Handpuppe verkleidet und so als ‚El Compayito‘ (Der kleine Kumpel) feiert….

Zum Zeitpunkt der Festnahme soll García übrigens geplant haben, am darauffolgenden Wochenende sechs Mitglieder seiner Organisation zu enthaupten, weil bekannt geworden war, daß sie sich von der Gruppe trennen wollten. Möglicherweise hatte er seine Organisation nicht mehr ganz so sicher im Griff wie in den Anfangszeiten…