Gerd Frank: MORDE OHNE MOTIV – Der Fall Motta Navas (1996-2012)

Der 1966 geborene Motta Navas ist ein Sonderfall in der Kriminalgeschichte Indiens, denn im Grunde gab es für den Täter kein nachvollziehbares Motiv, seine Morde zu begehen. Er schien seine Opfer lediglich als Objekte betrachtet zu haben, an denen er seine mörderische Wut auslassen konnte. Wieso sich diese derart aufgestaut hatte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.

Navas hat in der indischen Stadt Kollam (in Kerala) zwischen Juni und August 2012 fünf Menschen brutal erschlagen, während sie schliefen. Alle Morde wurden während der Nachtstunden mit stumpfen, harten Gegenständen verübt.

Der Mann war bereits zweimal wegen vorher begangener Morde vor Gericht gestellt worden. Das erste Mal 1996, als er wegen der Tötung eines gewissen Rajasekaran Mundakkal in Kollam für vier Jahre ins Gefängnis hätte kommen sollen. Weil es indes keinerlei Zeugen für diese Tat gab, wurde er nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ buchstäblich in letzter Sekunde freigesprochen.

Elf Jahre später soll er einen Mann namens Shamir in Karikode umgebracht haben. Auch diesmal hätte eine Verurteilung erfolgen sollen. Doch nun wurde er in eine psychiatrische Klinik zur Untersuchung eingewiesen. Weil man keine Unzurechnungsfähigkeit diagnostizieren konnte, wurde er wieder entlassen und kehrte erneut nach Kollam zurück. Danach begann eine schreckliche Mordserie in der Stadt.

Der dritte Mord geschah am 6. Juni 2012. Das Opfer war ein 65jähriger Mann, dem er mit einem großen Stein den Schädel einschlug. Der alte Mann hatte unter einer Straßenüberführung geschlafen. Den nächsten Mord verübte er gleich in der darauffolgenden Nacht auf der Veranda eines Geschäftes: Er schlug Appukuttan Achary derart auf den Rücken, daß dessen Wirbelsäule zerstört wurde.

Unter nahezu identischen Umständen brachte er in der Nacht des 18. Juni 2012 den 65jährigen Bondan Kumar um. Am 3. August erwischte der Täter einen 55jährigen Mann namens Thankappan, den er in einer riesigen Blutlache an einer Bushaltestelle in der Nähe der St. Josephs-Klosterschule seinem Schicksal überließ. Auch ihn hatte er im Schlaf ermordet.

Der siebente und letzte Mord wurde in der Nacht des 21. August 2012 auf der Veranda des Gemeindebaus von Chinakkada verübt. Das Opfer war ein 45jähriger Mann namens Sudarsanan, dem ebenfalls der Schädel mit einem Stein eingeschlagen worden war.

Nach diesem Mord hatte er aller Wahrscheinlichkeit nach noch zwei weitere Mordversuche unternommen, doch diese beiden Opfer hatten es wie durch ein Wunder geschafft, die Attacken zu überleben und davonzukommen.

Am 1. November des gleichen Jahres wurde Navas endlich festgenommen. Eine Nachtstreife der Polizei hatte ihn bemerkt, als er offenbar ziellos durch die Straßen der nächtlichen Stadt strich, angesichts der Polizisten aber sofort flüchten wollte. Gleich bei den ersten Vernehmungen versuchte er erneut, eine psychische Beeinträchtigung beziehungsweise Erkrankung vorzutäuschen, doch die Ermittler ignorierten die listigen Einwände. Die nunmehr erneut vorgenommenen psychiatrischen Untersuchungen ergaben, daß man im Falle Navas von Zurechnungsfähigkeit auszugehen hatte.

Dieser Mann hatte kein Motiv zu morden, wie es in anderen Fällen für gewöhnlich ermittelt werden kann. Sein Antrieb war lediglich eine unvorhersehbare, ungebremste Wut.