Archiv des Autors: Michael Kirchschlager

Gerd Frank: Heinrich Pommerenke (1937-2008) – ein deutscher Serienmörder

Heinrich Max Pommerenke (* 6. Juli 1937, + 27. Dezember 2008) war ein deutscher Serienmörder. Seit 1959 inhaftiert, war er bei seinem Tod der am längsten einsitzende Häftling in der BRD. P. stammte aus dem mecklenburgischen Ort Bentwisch bei Rostock, wo der Vater im Hafen gearbeitet hatte. Nachdem dieser im Krieg gefallen und die Mutter 1949 ihre beiden kleinen Kinder verlassen hatte, wuchs P. bei seinen Großeltern in Mecklenburg auf, wo er eine Vergewaltigung beging. Er wurde Maler und floh nach einer zweiten Vergewaltigung 1953 aus der DDR nach West-Berlin. Dort von der Polizei aufgegriffen, wurde er zu seiner Mutter in die Schweiz geschickt, wo er zum dritten Mal ein Mädchen vergewaltigte und des Landes verwiesen wurde. In der Folgezeit verübte er verschiedene Raubüberfälle und Sittlichkeitsverbrechen im süddeutschen Raum sowie dem österreichischen Bregenz.

1959 begann eine grausame Mordserie in der Gegend des Schwarzwaldes. Die Taten ereigneten sich in Zügen, an Bahnhöfen und Bahndämmen, allerdings ohne einheitliches Muster. Erst nach seiner Verhaftung konnten die Morde vollständig P. zugeordnet werden.

Der Besuch des Films “Die zehn Gebote” habe ihn veranlaßt, Frauen zu töten, denn er habe erkannt, daß sie die Ursache allen menschlichen Übels seien und er die Mission habe, sie dafür zu bestrafen. Noch am gleichen Abend beging P. in einem Park in der Nähe des Kinos seinen ersten Mord. Die Leiche des Opfers, der vergewaltigten und durch Aufschlitzen der Kehle ermordeten 49jährigen Hilde Konter, wurde am 26. Februar 1959 bei der Autobahnanschlußstelle Karlsruhe-Durlach gefunden. Im März 1959 mißbrauchte P. in einer Holzhütte am Rand von Hornberg die 18jährige Karin Wädle, erschlug sie mit einem Stein und warf die Leiche über eine Flußböschung am nahegelegenen Bahndamm; die Leiche wurde am 25. März am Ufer der Gutach entdeckt. Am 31. Mai 1959 ermordete er in einem Urlaubersonderzug, der von Heidelberg nach Finale Ligure in Italien fahren sollte, die 21jährige Dagmar Klimek durch einen Messerstich in die Brust. Ihre Leiche schleuderte er auf der Rheintalbahn Richtung Basel kurz hinter Freiburg im Breisgau aus dem fahrenden Zug; anschließend betätigte er die Notbremse, stieg aus, ging zur Leiche seines Opfers zurück und verging sich an ihr. Das Mädchen wurde erst fünf Tage später am Bahndamm bei Ebringen gefunden.

Zwischen Mai und Juni 1959 beging P. darüber hinaus mindestens fünf Mordversuche an Mädchen und Frauen, die mißlangen, weil sich die geschädigten Frauen selbst befreien konnten oder weil ihnen jemand zu Hilfe kam. Am 9. Juni 1959 vergewaltigte P. in der Nähe von Baden-Baden die 16jährige Rita Walterspacher, erwürgte sie und legte ihre Leiche in einem Waldstück ab, wo sie am folgenden Tag entdeckt wurde. Auch in diesem Fall fanden die Ermittler zunächst keinerlei verwertbare Spuren.

Am 10. Juni 1959 erbeutete P. bei einem Einbruch in ein Waffengeschäft in Baden-Baden u. a. ein Kleinkalibergewehr und eine Luftdruckpistole. Dann holte er bei einem Schneider in Hornberg einen dort unter eigenem Namen bestellten Anzug ab und ließ neben abgetragenen Kleidungsstücken ein Paket zurück, worin sich das erbeutete Kleinkalibergewehr befand, das er “in den nächsten Tagen” abholen wollte.

Eine am Tatort im Bahnhof Karlsruhe-Durlach gesicherte Schuhabdruckspur, die exakt der am 9. Juni gesicherten Spur entsprach und die Beschreibung der Pistole erbrachten für die Polizei den ersten Beweis für einen Zusammenhang zwischen dem Einbruch und der Mordserie. Am 19. Juni meldete der Schneider aus Hornberg den Fund des Kleinkalibergewehrs und lieferte den Ermittlern außerdem die persönlichen Daten des Gesuchten. P. wurde noch am gleichen Tag in Hornberg erkannt und auf dem Bahnhofsvorplatz festgenommen.

P. gestand 60 Straftaten: vier Morde, sieben Mordversuche, zwei vollendete und 25 versuchte Vergewaltigungen, sechs Raubüberfälle, zehn Einbrüche und sechs einfache Diebstähle. Der Prozeß begann am 3. Oktober 1960 vor dem Landgericht Freiburg, in dessen Verlauf der Angeklagte für “voll schuldfähig” eingestuft wurde. Am 22. Oktober wurde P. zu sechsmal lebenslangem Zuchthaus und weiteren 15 Jahren Gefängnis verurteilt.

Er wurde in die Justizvollzugsanstalt Bruchsal verbracht; eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung wurde immer wieder mit der Begründung verwehrt, daß von ihm weiterhin ein erhebliches Sicherheitsrisiko ausgehen würde.

Ende 2006 wurde P. in das Gefängnis auf der Festung Hohenasperg verlegt, wo sich auch das Zentralkrankenhaus des baden-württembergischen Strafvollzugs befindet, um sich einer Sozialtherapie zu unterziehen. Wegen Abbruchs der Therapie nach einem knappen Jahr, verbrachte man P. in die JVA Heilbronn.

Als P. im Dezember 2008 an Leukämie erkrankte, verlegte man ihn erneut nach Hohenasperg, wo er am 27. Dezember 2008 als 71jähriger verstarb. Seine Leiche wurde eingeäschert, die Asche auf See verstreut.

Filmdreh mit Romy Gehrke zu den „HISTORISCHEN SERIENMÖRDERN IV

Romy Gehrke2

Romy Gehrke

Gestern war die freie Film-Journalistin Romy Gehrke für den MDR zu Gast in Arnstadt und drehte mit Stratos TV einen Beitrag zu meinem Band HISTORISCHE SERIENMÖRDER IV. Romy Gehrke war die richtige „Erfrischung“ für mich nach der harten Buchmesse in Leipzig und ja, es war ein toller Drehtag! Keine Fragen wie: Kann man nach so vielen Morden denn noch schlafen? Nein! Romy Gehrke ging ins Detail, glänzte mit Fachkenntnissen, hakte nach, provozierte, war wortgewandt, weltmännisch (weltfraulich), kurzum: es hat ungeheuren Spaß gemacht! Den Sendetermin teile ich noch rechtzeitig per Newsletter und auf meinen Webseiten mit. Danke Frau Gehrke, das war feier, investigativer Journalismus wie wir ihn brauchen.

 

HISTORISCHE SERIENMÖRDER IV – Eine Rezension von Max Pechmann für Film und Buch

historischeserienmoederivBand eins der Reihe „Historische Serienmörder“ gehört zu den erfolgreichsten Veröffentlichungen aus dem Hause Kirchschlager. Die Reihe beschäftigt sich mit unheimlichen und außergewöhnlichen Kriminalfällen, die vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert reichen.

Band IV steht in Sachen Spannung und Gänsehaut den vorangegangenen Büchern in nichts nach. Der Historiker Michael Kirchschlager entdeckte bei seinen Recherchen u. a. illustrierte Flugblätter aus dem 16. Jahrhundert, in denen von eigenartigen Mordfällen die Rede ist. So ging in Ferrara im Jahr 1573 ein siebzigjähriger Serienmörder um, der ahnungslosen Frauen auflauerte. 1581 suchte ein Raubmörder in der Nähe von Köln den Ort Bernkastel heim. Er selbst hauste in einer Erdhöhle im Wald, wohin er eines Tages eine Frau entführte.

Während des Dreißigjährigen Kriegs ging der Raubmörder Jasper Hanebuth um und im Jahr 1780 suchte ein Serienmörder Österreich heim, der teils kannibalische Neigungen aufwies, indem er das Herz eines seiner Opfer aß, da er glaubte, dadurch unsichtbar werden zu können. Im Jahr 1811 kam es in London zu einer Reihe brutaler Raubmorde. Der Täter John Williams trieb dabei vor allem auf dem Ratcliff Highway sein Unwesen. Der Fall wird eindrücklich von dem Kriminalisten Robert Heindl (1883-1958) erzählt.  1888 schließlich ging der wohl berühmteste Serienmörder Jack the Ripper um. Hierzu fand Michael Kirchschlager einen überaus interessanten Artikel von Leopold Engelhardt, wie Heindl ebenfalls bei der Kriminalpolizei tätig gewesen (seine Lebensdaten sind allerdings nicht bekannt), in dem der Autor verschiedene Theorien analysiert, die versuchen, die wahre Identität des Täters zu ergründen.

Gerd Frank, der bereits sein sechsbändiges Werk „Totmacher“ im Verlag Kirchschlager veröffentlicht hat, befasst sich in seinem Beitrag mit den Untaten des „französischen Jack the Ripper“ Joseph Vacher, einem Herumtreiber, der zwischen den Jahren 1894 bis 1897 vor allem Hirtenjungen und Mädchen auflauerte.

Der Autor Armin Rütters berichtet von dem deutschen Serienmörder Karl Großmann, der 1921 in Berlin Frauen als Haushälterinnen anwarb, um sie in seiner Wohnung zu ermorden. Die beiden Kriminalautoren Birgit Lautenbach und Johann Ebend schließlich schildern ausführlich die sonderbare und zugleich schreckliche Biographie des Mörders Rudolf Pleil, einem sadistischen Psychopathen, der in den 1950er Jahren vor allem Leuten auflauerte, die zwischen den damals besetzten Zonen hin und her reisten.

Der Band beinhaltet nicht nur die erwähnten Beiträge, sondern ergänzt diese z.B. durch ärztliche Gutachten von damals sowie – im Falle Pleils – durch autobiographische Schriftstücke. Ebenfalls enthält das Buch zahlreiche historische Fotos zu den Fällen. Die einzelnen Beiträge sind nicht nur überaus spannend geschrieben, sondern liefern zugleich historisch intersssante Informationen. Die Autoren versuchen stets, ein Gesamtbild der jeweiligen Mörder zu liefern, indem sie deren Biographien nachgehen und dabei versuchen, Gründe für ihr anormales Verhalten zu finden. Dies macht die einzelnen Texte auch aus einer psychologischen Perspektive sehr interessant. Kurz: Mit „Historische Serienmöder Band IV“ ist dem Verlag Kirchschlager einmal mehr ein hervorragendes Werk gelungen.

Historische Serienmörder Band IV. Menschliche Ungeheuer vom späten Mittelalter bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Hrsg. Michael Kirchschlager. Verlag Kirchschlager 2017, 240 Seiten, 18,95 Euro, ISBN: 978-3-934277-60-1

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Verlag Kirchschlager auf der Leipziger Buchmesse vom 23. bis 26. März 2017 Halle 4 D-106

Liebe Freunde, geschätzte Leserschaft! Freut Euch auf dieses neue Jahr und besucht uns gleich im März auf der Leipziger Buchmesse (23. bis 26. März 2017) in Halle 4 Stand D 106. Es werden Autoren vor Ort sein, wie Kriminalrat a. D. Hans Thiers oder der Archivar Frank Esche, und  wir präsentieren unser gesamtes Verlagsprogramm seit 1995! Gerade entsteht für unsere Leserschaft ein umfangreiches Gesamtverzeichnis mit allen Titeln, Covern, ausgewählten Informationen zur Verlagsgeschichte und Autorenporträts. Und natürlich präsentieren wir unsere Neuerscheinungen (siehe unten) oder stellen die Titel für das Jahresprogramm 2017 vor.

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Cover HS IV

Langes Seil, schneller Tod – eine Rezension von Dr. Mark Benecke

Dies ist eine Nerd-, also Spezialistenarbeit, die sich nahezu ohne Abschweife auf strafrechtliche Erhängungen in Großbritannien bezieht und freiwillig beschränkt. Der Ton im Buch ist, dem Sujet durchaus angemessen, nüchtern und streng, manchmal sogar sehr streng: “Völlig sinnlos” und “Das sind fünf sachliche Fehler in drei Sätzen. Schade”, ärgert sich der Autor beispielsweise über einen in der Tat etwas quellenfernes Statement des früheren Leiters des Institutes für Rechtsmedizin der Universität Göttingen. Weiterlesen

Lesungen mit Kriminalrat a. D. Hans Thiers zu Serienmördern und Mordfällen im Bezirk Gera

Hier finden Sie Termine zu unseren Buchlesungen mit Kriminalrat a. D. Hans Thiers

25.10.2016, 18.00 Uhr, Die Nacht der Serienmörder, Hohenölsen

28.10.2016, 19.00 Uhr Bad Salzungen, Die Nacht der Serienmörder, Stadtbibliothek

30.10.2016, 15.00 Uhr, Lesung, Hummelhain, „Schloß, Teehaus“

2.11. 2016, 19.30 Uhr, Buchhandlung Schmitt und Hahn, Schloßstraße, Gera

4.11.2016, 18.00 Uhr, Die Nacht der Serienmörder, Bibliothek Schleiz

9.11.2016, 19.30 Uhr, Die Nacht der Serienmörder, Stadtbibliothek Triptis

11.11.2016, 18.00 Uhr Lesung in Graitschen, Mordfälle im Bezirk Gera I & II, Heimatverein

18.11.2016, 19.00 Uhr, Die Nacht der Serienmörder in KH Crossen

9.12.2016, 19.00 Uhr, Gaststätte „ Zur Köppe“, Bad Klosterlausnitz

16.12.2016, 19.00 Uhr, Lesung in der Bibliothek Uhlstädt

Bücher über “Wahre Kriminalfälle” (True Crime) sind seit jeher beliebt und finden ein breites Lesepublikum. Der Verlag Kirchschlager aus Arnstadt, der in diesem Jahr sein 20-jähriges Bestehen feiert, hat sich auf Kriminalgeschichte und die Herausgabe sogenannter Pitavals (Sammlungen historischer Kriminal- und Strafrechtsfälle) spezialisiert. Die Lesung “Die Nacht der Serienmörder” beginnt mit einer Einführung in die unterschiedlichen Arten von Serienmord und der Beschreibung von diversen Typen von Serienmördern. Dabei berichtet der Historiker Michael Kirchschlager von den unheimlichsten Fällen der deutschen, aber auch europäischen Kriminalgeschichte. Fälle, wie die des Kindesmörders Gilles de Rais, des Kannibalen Karl Denke, des Serienmörders Haarmann oder diverser russischer Serienkiller geben einen erschreckenden Einblick in die Psyche der gestörten Täter. Gemeinsam mit dem ehemaligen Leiter der Morduntersuchungskommission (MUK) des Bezirkes Gera, Kriminalrat a. D. Hans Thiers, berichtet der Historiker und Verleger Michael Kirchschlager des weiteren über die Aufdeckung, Aufklärung und Untersuchung authentischer Mordfälle, die durch Serienmörder in Thüringen zur Zeit der DDR begangen wurden. Die beiden Vortragenden führen uns an Tatorte voller Grauen. Besonders bei Straftaten gegen Kinder ging in den Städten und Gemeinden der ehemaligen thüringischen Bezirke die Angst um. Die Kriminalisten waren bestens ausgebildet, die einzelnen Abteilungen personell stark besetzt. Die Aufklärungsquote betrug 98 Prozent. Doch Serienmörder waren und sind schwer zu fassen. Das Spektrum reicht von der sechsfachen Kindesmörderin über den sexuell motivierten Frauenmörder bis zum pädophilen Kindesmörder. Die Geständnisse der Täter lassen uns erschaudern und wie so oft müssen wir erkennen, daß Gerechtigkeit nur ein Traum ist.

Hans Thiers gebührt das Verdienst, zahleiche Mordfälle, darunter auch Serienmorde, nicht nur aufgeklärt, sondern auch für ein interessiertes Publikum aufbereitet und niedergeschrieben zu haben. Zahlreiche Quellen wie Geständnisse, psychiatrische Gutachten und Vernehmungsprotokolle ergänzen die Kriminalberichte, die zudem einzigartige Einblicke in die unermüdliche Arbeit der DDR-Kriminalisten und der mit ihnen zusammenarbeitenden Organe und Institutionen geben.

Dabei wird deutlich, daß Kriminalität in der Presse der DDR nicht – wie oftmals angenommen wird – “vertuscht” wurde. Ganz im Gegenteil! Zu allen Fällen fanden sich Zeitungsbeiträge oder alte Fahndungsaufrufe, die deutlich aufzeigen, wie gezielt mit Hilfe der Öffentlichkeit Kriminalität bekämpft wurde.

In Vorbereitung: HISTORISCHE SERIENMÖRDER IV

Nachdem ein paar Jahre seit Erscheinen des 3. Bandes der Reihe HISTORISCHE SERIENMÖRDER vergangen sind, legt der Verlag Kirchschlager nunmehr einen vierten Band vor. Michael Horn und Michael Kirchschlager stellen in einem kurzen Beitrag zwei Serienmörder des 16. Jahrhunderts aus der Sammlung des Johann Jakob Wick, der sogenannten Wickiana, vor.
Dabei handelt es sich um den relativ unbekannten Fall eines alten Frauenmörders aus Italien (1573) und einer weiteren Quelle zu dem deutschen Raubserienmörder Christman Gniperdoliga (1581). Michael Kirchschlager beleuchtet dann das Leben und die Taten des Raubmörders Jaspar Hanebuth (Deutschland, 1653) und des österreichischen Herzlfressers von Kindberg, Paul Reininger (1786). Die Biographie Hanebuths steht stellvertretend für die zahlreicher, wie sie der Dreißigjährige Krieg und mit diesem die Verrohung der Sitten hervorgebracht hat. Reininger ist ein trauriges Beispiel für einen Serienmörder, der in tiefem Aberglauben verwurzelt war.
Von Robert Heindl (1883-1958) und dem Kriminalisten Leopold Engelhardt (genaue Lebensdaten unbekannt) stammen zwei britische Kriminalfälle: John Williams – Der Teufel vom Ratcliff Highway (1811) und Jack the Ripper (1888), die in der europäischen Kriminalgeschichte bekannt sind, und nicht näher erörtert werden brauchen. Dafür dürfte für die kriminalhistorisch interessierte Leserschaft die Biographie Robert Heindls von Interesse sein. „Heindl widmete sein Leben und seine Arbeit der Kriminalistik. Er studierte Rechtswissenschaft in München, Lausanne und Erlangen. Ausgedehnte Studienreisen führten ihn in die Strafkolonien Frankreichs, Englands und Spaniens in Neukaledonien, auf den Andamanen und in Afrika. Die Arbeitsweise der großen europäischen Polizeizentralen erkundete er in Paris bei Bertillon und in London am Scotland Yard. Seine Berufslaufbahn führte ihn von dem Posten des Leiters der Kriminalpolizei Dresdens 1912 über den des Polizeidezernenten im sächsischen Innenministerium gegen Ende des 1. Weltkrieges als Oberregierungsrat in die sächsische Staatskanzlei und dann als Wirklichen Legationsrat in das Auswärtige Amt. 1933 in den Ruhestand versetzt, wurde er nach dem 2. Weltkrieg mit der Einrichtung des Zentralamtes für Kriminalidentifizierung, Polizeistatistik und Polizeinachrichtenwesen für das Land Bayern (jetzt: Bayerisches Landeskriminalamt) beauftragt. 1946 wurde er zum Präsidenten dieses Amtes ernannt. 1949 trat er wieder in den Ruhestand. Heindl erregte bereits als Student Aufsehen durch seinen Vorschlag, nach dem Vorbild des im Orient gebräuchlichen Fingersiegels ein daktyloskopisches System zur Identifizierung von Verbrechern einzurichten. Sein Vorschlag, die Daktyloskopie in den Dienst der Verbrechererkennung zu stellen, ist seinerzeit von der Dresdner Polizeiverwaltung alsbald aufgegriffen, im übrigen freilich zunächst zurückgewiesen worden; doch hat er als Anregung zur Einführung des Fingerabdrucksverfahrens fortgewirkt. Sein Bericht über die Strafkolonien hat wesentlich dazu beigetragen, daß die Strafe der Deportation in Deutschland nicht eingeführt und im Ausland allmählich abgeschafft wurde. An der Zentralisierung der Kriminalpolizei in den Ländern und im Bundesstaat sowie an der Errichtung einer internationalen kriminalpolizeilichen Organisation hat er wesentlichen Anteil. Seit 1917 gab er als Nachfolger von Hans Groß das von diesem begründete Archiv für Kriminologie heraus.

Cover HS IV

Gerd Frank, der mittlerweile sechs Totmacher-Bände im Verlag Kirchschlager veröffentlicht hat, widmet sich dem Hirtenmörder Joseph Vacher, einem französischen Ripper (1869-1897). Die Opfer waren meist junge Landarbeiter beiderlei Geschlechts. Er gestand die Ermordung und Verstümmelung von sieben Frauen und vier jungen Männern und verging sich post- und prämortem an ihnen. Vacher, dessen wirrer Geisteszustand durch den bekannten Psychiatrie-Professor Alexandre Lacassagne untersucht wurde, gab an, durch den Biß eines tollwütigen Hundes in „Raserei“ begangen zu haben, doch Lacassagne kam zu dem umstrittenen Schluß, daß Vacher verhandlungs- und zurechnungsfähig war, worauf man ihn zum Tode verurteilte. Vacher wurde am 31. Dezember 1898 in Bourg-en-Bresse durch die Guillotine hingerichtet.
Armin Rütters, dessen Spezialgebiet u. a. die Erforschung des Kriminalfalles um den Kannibalen Karl Denke (1860-1924) ist2, beleuchtet das Leben des Berliner Frauenmörders Karl Großmann (1863-1922), der als Bestie vom Schlesischen Bahnhof in die Berliner Kriminalgeschichte einging. Großmann wurde am 21. August 1921 in seinem Haus neben seinem letzten Opfer Marie Nitsche auf frischer Tat gefaßt. Obwohl der Serienmörder nur drei Morde gestand, könnten ihm weit mehr Mädchen und junge Frauen zum Opfer gefallen sein. Ob Großmann, wie oft vermutet, Teile seiner Opfer verspeiste oder zu Wurst- und Dosenfleisch verarbeitete, muß dahingestellt bleiben. Der sadistische Lustmörder erhängte sich am 5. Juli 1922 vor dem Ende der Hauptverhandlung in seiner Zelle.

Das Autorenpaar Birgit Lautenbach und Johann Ebend, welches hauptsächlich durch seine Kriminalromane bekannt ist, steuerte einen Beitrag zu Rudolf Pleil (1924-1958) bei, der sich selbst als bester Totmacher aller Zeiten bezeichnete und in den Nachkriegsjahren 1946/47 vor allem im Harzer Grenzgebiet zahlreiche Menschen ermordete. Ausgewählte Quellen aus Pleils Kriminalakte gewähren zudem einen tiefen Eindruck in die Gedanken- und Seelenwelt des brutalen Mörders. Für die Beschaffung von Fotos zum Pleil-Fall aus dem Bildarchiv der JVA Celle danken wir an dieser Stelle Wolfgang Krüger, Celle.

Ein Lesetip für alle Kriminaliafreunde: Traugott Vitz – Langes Seil, schneller Tod. Wie Großbritannien seine Mörder hängte

Von allen Hinrichtungsarten ist wohl keine so britisch wie das Hängen. Die Briten exportierten sie überall dort hin, wo sie als Kolonial- oder Besatzungsmacht das Sagen hatten: Nach Nordamerika, Australien, Neuseeland, Indien, Singapur, Palästina… Bis 1868 hängten die Briten öffentlich. Bis 1964 hängten sie hinter Gefängnismauern. Sie machten eine Wissenschaft daraus – oder versuchten es wenigstens. Sie waren stolz darauf – und hielten alles, was damit zusammenhing, rigoros geheim. Inzwischen aber sind die meisten Akten zugänglich. Aus Material des Britischen Nationalarchivs, Zeitungsberichten des 19. Jahrhunderts und Biographien der Henker hat Traugott Vitz die Geschichte der letzten 96 Jahre britischer Hinrichtungspraxis geschrieben.

Der kanadische Henker John Radclive (ganz rechts) behauptete fälschlich, ein Schüler des englischen Henkers William Marwood zu sein.
Canadian hangman John Radclive (far right) falsely claimed to be a pupil of the English executioner William Marwood.

Britisches Hängen war angeblich schnell, human und schmerzlos, aber stimmte das? Nun: beinahe. Allerdings sicher nicht von Anfang an, als ein viktorianischer Universalgelehrter zum ersten Mal eine Formel entwarf, die die Fallhöhe zum Körpergewicht in ein Verhältnis setzte. Entlang von Zeitungsberichten und Archivmaterial des 19. Jahrhunderts folgt Traugott Vitz den Spuren von William Marwood (dem ersten englischen Henker, der den langen Fall verwandte), den Erfolgen und Fehlschlägen seines Nachfolgers James Berry, den sorgfältigen Nachforschungen des Todesstrafen-Komitees (1886-88), den Zeiten der Henkerdynastien Billington und Pierrepoint bis zu den letzten englischen Hinrichtungen im Jahr 1964. Zum ersten Mal wird der entscheidende Einfluß des Gefängnisarztes James Barr (später Präsident der British Medical Association) auf die Entwicklung der Abläufe und der Fallhöhentabelle aufgezeigt. Als deutscher Autor und weil er das Thema als erster auf deutsch behandelt, befaßt sich Vitz etwas ausführlicher mit den von Albert Pierrepoint vorgenommenen Hinrichtungen von Kriegsverbrechern in Hameln (Deutschland). Er erzählt in sehr lesbarer, lebhafter Weise, aber vor einem beeindruckenden Hintergrund an Quellen, der medizinische Lehrbücher und Zeitschriften einschließt.

Die “Kinnmulde” des britischen Chirurgen Dr. Marshall – eine exzentrische Erfindung, die in der Praxis nie benutzt wurde.

Softcover, Franz. Broschur, 272 Seiten, zahlreiche s/w Abbildungen, Preis: 14,95 Euro

Gerd Frank: Der Fall der Familie Bender (USA, 1872–1873)

Kurz nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg siedelten die USA den Indianerstamm der Osagen von Labette County in Kansas in die sogenannten „neuen Indianischen Territorien“ um. Hart arbeitende Männer und Frauen wollten sich in diesem Gebiet eine neue Heimat aufbauen. Um das Jahr 1870 ließen sich unter anderem fünf Familien, die den Spiritisten nahestanden, nördlich und östlich der Gemeinde Cherryvale nieder und bearbeiteten das Land. Unter ihnen war eine Familie namens Bender. Es ist nicht belegt, ob sie tatsächlich so hieß. Vermutungen zufolge handelte es sich um deutsche Einwanderer. Hierfür sprach, daß der alte Bender, der sich John nannte, nur sehr schlecht Englisch sprach. Er muß ein Mann von furchteinflößender Kraft gewesen sein, der mit ruppiger, kehliger Stimme sprach, die kaum zu verstehen war. Seine Frau Kate wurde ähnlich geschildert, zudem soll sie ungewöhnlich brutal gewesen sein, weshalb man sie allgemein nur als „Weibsteufel“ bezeichnete. Der 27jährige Sohn John Jr. war als mürrisch und abweisend bekannt, Tochter Katie soll ziemlich schön gewesen sein. Sie bildete sich ein, ein Medium zu sein, und behauptete auf Karten, die sie verschickte, Taube und Blinde heilen zu können. Weiterlesen