Die bayerischen Pappenheimer – Serienmörder oder Justizopfer (Bayern, 1600)

Im Jahre 1542 wurde in dem kleinen Dorf Hüttlingen zwischen Ellwangen und Aalen im Schwabenland ein Junge geboren, der von seinen Eltern Georg und Agatha Gämperl kurz Paulus genannt wurde.
Er machte frühzeitig die Erfahrung, die ein schlechter Ruf mit sich bringt. Paulus hielt sich die erste Zeit mit Schweinehüten, Betteleien und kleineren Diebereien über Wasser, bis er schließlich in der Ziegelhütte von Ansbach eine Anstellung fand. In dieser Ziegelhütte arbeitete Paulus zwei Jahre als Gehilfe. Hier lernte er auch seine spätere Frau Anna, die Tochter des Totengräbers Conz Wilbaldt zu Ansbach, kennen.

Die ersten Morde
„Als er (Paulus) samt seinen beiden Söhnen oberhalb Pföhring bei der Brucken einen Handwerksgesellen angetroffen, hätten sie ihn sogleich ungewarneter Sachen angegriffen; er, Paul, mit seinem Stecken geschlagen, seine Söhn mit ihren Wehren gestochen und gehauen (…) also denselben ermordt. Ihm bei 2 Gulden Gelds, ein Mantel und Bündel, darin 2 Hemden gewest, genommen. Aus welchem Mantel er – Paul – ihm (sich selber) ein Leibröckel gemacht, auch die Hemden angetragen. Den sie nach vollbrachter Tat von der Brucken in ein kleins Gestreißel verzogen.“
Auch der Sohn Michel gestand am 26. April 1600 folgende Begebenheit: „In einem Hölzl hab er, der Neunaugen und Beindl von Lenzendorf einen Bauern, so von Regenspurg heraus gangen, angetroffen. Der ein Wehr über die Achsel getragen, welche er ihm hinterwärts herausgerissen. Derweilen Beindl mit einem Spitzhammer zugeschlagen und ihn ermordt. Dabei 5 f. Gelds, 2 Pfund Fleisch und ein Wecken Brots gefunden, so er in einem Säckel an der Wehr getragen, und geteilt“.

Die Verhaftung der Pappenheimer
Anfang Februar 1600 war Markt zu Tettenwang, zu dem sich die gesamte Familie einfand. Auch die Brüder Gumpprecht und Michel waren seit vier Jahren das erste Mal wieder hier. Gleichzeitig bewegte sich ein Großaufgebot von Häschern und Helfern unter Führung des Amtmanns von Altmannstein zum nahe gelegene Tettenwang. Das Ziel des Aufwandes war die Verhaftung jener üblen Personen, die der Dieb Geindl kurz vor seinem gewaltsamen Ende am Strick angegeben hatte. Schon am Abend wurde die gesamte Familie Pämb mit Ausnahme des kleinen Hänsl auf dem Hof des Ulrich Schölz gefangengenommen.
Man kann annehmen, daß auch der berüchtigte Hexenjäger Alexander von Haslang, der in dieser Zeit Pfleger von Abensberg und Altmannstein war, bei der Verhaftung persönlich zugegen war. Noch in der Nacht wurde die Familie mit Schlitten im nächtlichen Schneetreiben zum Verhör nach Altmannstein/Abensberg geschafft. (…)
Hänsl durfte indes regelmäßig seine Mutter besuchen. Gumpprecht erläuterte die Haftbedingungen wie folgt: Er „hab ein Handeisen angehabt, daraus er leichtlich die Hand ziehen mögen. Zudem sei oft ein Stund oder drei kein Mensch zu ihm kommen, so zugeschaut (…)“. Nach fast zweimonatiger Gefangenschaft wurde nun befohlen, die Pämbs nach München zu schaffen und dort zu vernehmen.

Hexerei
Am 17. April 1600 begannen die Verhöre unter dem Vorsitz des Kommissars Wangereck und seiner Kollegen Rentmeir und Dr. Hainmüller. Hänsl, das jüngste und schwächste Glied der Familie, war der erste, der befragt wurde. Ihm wurde eine Liste mit 41 Fragen vorgelesen. Bei Nr. 31 auf der Liste folgte die Frage „Ob er nie Kindshändel bei ihnen (bei seinen Brüdern) gesehen hab, und wo seine Brüder dieselben hintan haben?“ Hänsl antwortete „mit Weinen und Umschauen, hab nie keins gesehen“. Nach Beantwortung aller restlichen Fragen wurde er jedoch „neben Streichung mit Ruten über das 31. Fragstuck der Händel halber nochmalen alles Ernsts“ befragt.
Das mit Ruten gestrichene Kind gestand nun, bei seinen Brüdern sieben Kinderhände gesehen zu haben. (…) Als Paulus die Frage beantworten sollte, woher er den Umgang mit der angeblichen „Zauberkraft“ jener Kindshändel kenne und ob er darüber Bescheid wisse, antwortete er: „Vor neun Jahren (1591) hab er zu Ellingen und Wiesensteig Unholden verbrennen sehen, ihre Urgicht verlesen hören, daß sie mit Pulver von Kindshändeln Schaden getan (und er) darauf (…) gemerkt und solches auch gemacht.“
Gumpprecht gestand vier Morde mit seinen Gesellen zusammen (…). Michel war nach seinem eigenen Schuldgeständnis nicht getauft. Ebenso glaubten die Kommissare, daß das jüngste Mitglied der Pappenheimer, der kleine Hänsl, noch nicht getauft war. Auch er behauptete von seiner Mutter Anna, sie habe ihn die Hexerei gelehrt und zu nächtlichen Treiben, wie dem Hexensabbat, mit ausgeführt.
Das letzte Verhör fand am 15. Juli 1600 statt. Kommissar Dr. Wangereck hielt schließlich das Verfahren gegen die Pappenheimer für beendet und strebte eine Entscheidung an. (…)
Nachdem sich die Gefangenen mit ihrer Henkersmahlzeit gestärkt hatten, brachte man sie auf den Markt. Es war gegen acht Uhr. Dicht gedrängt warteten dort unzählige Zuschauer. Vor dem Rathaus hatten sich die städtischen Kornmesser mit langen, ineinandergesteckten Stangen aus Holz postiert, um den viereckigen Platz des Gerichts, die sogenannte „Gerichtsschranne“, vor dem wartenden Volk abzuschirmen.

Die grausame Hinrichtung
Die Delinquenten wurden die Rathaustreppe hinuntergeführt und auf einen anderen vor dem Rathaus befindlichen Platz gebracht. Nun stand den Verurteilten die erste der genannten Strafverschärfungen bevor. Pfannen mit glühender Holzkohle wurden von den Gehilfen des Scharfrichters auf den Platz getragen. Außerdem stellte man Blasebälge zum Erhitzen der Glut, große, hölzerne, mit zwei Zinken versehene Gabeln zum Aufsammeln der abgetrennten Körperteile und ein Korb, in den diese dann schließlich hineingeworfen werden konnten, bereit.
Anna mußte sich auf einen hölzernen Stuhl setzen. Der Scharfrichter riß ihr nun das Leinenkleid mit beiden Händen in einem Ruck vom Halsausschnitt bis zum Gürtel von den Schultern. Gumpprecht und Michel platzierte man zu ihrer beiden Seiten. Allen Delinquenten entblößte man nun die Oberkörper.
Vielleicht war Paulus während dieser Prozedur noch bei Bewußtsein, wir wissen es nicht. In mehreren zeitgenössischen Berichten heißt es, daß alle Verurteilten noch lebendig waren, als sie dem Feuer überantwortet wurden. Der Rest der Familie und ihre Freunde mußten der Pfählung zusehen. Dann folgte der letzte Akt der Hinrichtung: die Verbrennung bei lebendigem Leib.
Der gepfählte Paulus wurde über die angelehnten Holzbohlen auf den mittleren Scheiterhaufen geschleppt und der Pfahl in einer dafür vorgesehenen Versenkung befestigt. Dort steckte er nun gespießt im Scheiterhaufen.
Gumpprecht und Michel mit ihren gebrochenen Gliedern wurden ebenfalls nicht mehr gefesselt, aber mit eisernen Gürteln an die um ihren Vater herum aufgeschichteten Scheiterhaufen angeschmiedet. So auch Ulrich Schölz und der Schneider von Prunn, Georg Schmälzl.
Anna, die bis zum Schluß in dem hölzernen Wagen blieb, wurde zu diesem Zeitpunkt zum Scheiterhaufen geführt. Man band sie neben Paulus auf einem Stuhl fest. Nachdem dies geschehen war, entzündeten die Gehilfen des Scharfrichters mit Pechfackeln die Scheiterhaufen.

Das Ende der Klostermüllers
Weitere Verhöre folgten. Im August des Jahres 1600 wurde die Familie des Klostermüllers festgenommen. Die gesamte Familie, bestehend aus dem Vater, seiner Frau Anna und ihrer jüngsten 20jährigen Tochter Agnes, wurde an 22 Stellen des Prozeßprotokolls der Hexerei bezichtigt, woraufhin ihr Hof in Tettenwang untersucht wurde. (…)
Am 26. November 1600 wurden Hänsl, Augustin Baumann, Glashänsl, Agnes und Anna Klostermüller auf dem Galgenberg bei lebendigem Leib verbrannt.

Der vollständige Beitrag (mit weiterführender Literatur) von Michael Horn wurde veröffentlicht in „Historische Serienmörder II“. Dieser Beitrag ist urheberrechtlich geschützt!