Gerd Frank: DER TODESENGEL VON ALABAMA – Der Fall Joseph Dewey Akin (1990-1992)

Joseph Dewey Akin war ein sogenannter ‚Todesengel‘. So nennt man in der Kriminalgeschichte diejenigen Täter, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit an Krankenanstalten zu Serienmördern werden (…) Leseprobe aus Totmacher 5
Der zuletzt am Cooper Green Hospital in Birmingham/Alabama – im US-Bundesstaat Georgia – arbeitende Krankenpfleger tötete im Laufe von knapp zwei Jahren, zwischen 1990 und 1992, mindestens achtzehn, aller Wahrscheinlichkeit nach aber weit mehr Menschen, die seiner Obhut anvertraut waren. Das eigentliche Tatmotiv konnte nicht zweifelsfrei geklärt werden.
Als er seinem letzten Opfer, dem 32jährigen querschnittgelähmten Robert J. Price im September 1992 eine tödliche Dosis des Schmerzmittels Lidocain verabreichte, wurde er festgenommen. Nach intensiven Ermittlungen der Polizei erhärtete sich der Verdacht immer mehr, daß Akin möglicherweise sogar für mehr als hundert Todesfälle verantwortlich sein konnte, weil er im Lauf der letzten zehn Jahre in mindestens zwanzig verschiedenen Krankenhäusern gearbeitet hatte.
Akin wurde 1956 im ländlichen Süden der USA geboren. Der Vater betrieb dort eine Tankstelle, die Mutter arbeitete im familieneigenen Restaurant. Als einziges Kind erfuhr Joseph (Joe) Dewey eine optimale Schulausbildung, trat als junger Mann verschiedenen Vereinen bei und spielte zwei Musikinstrumente.
Nach erfolgreichem Schulabschluß ließ er sich zum Krankenpfleger auf Intensivstationen von Krankenhäusern ausbilden. Zu seiner Homosexualität bekannte er sich ganz offen. Akin war ein Perfektionist und prahlte schon sehr bald mit seinen Fähigkeiten, insbesondere im Zusammenhang mit den sogenannten „Code blue emergencies“, also medizinischen Notfällen, die stets von Ärzteteams bearbeitet wurden und leider häufig zu Herzstillständen der Patienten führten.
Akin fühlte sich dabei als eine Art „Held“ und genoß es sichtlich, wenn er nach erfolgreichen Einsätzen bewundert wurde.
Während es im Normalfall im Zeitraum eines halben Jahres etwa 20 solcher Einsätze gibt, kam es im Jahr 1990 an Akins letzter Arbeitsstelle zu 32 (!) Notfällen dieser Art, das war eine überdurchschnittlich hohe Rate. Sie mußte die Krankenhausleitung zwangsläufig mißtrauisch machen.
Überdies war den Kollegen aufgefallen, daß gefährliche Herzmedikamente, etwa Schmerzmittel, in größeren Mengen abhanden gekommen waren. In dem Fall, der zu Akins Festnahme geführt hatte, fand sich im Körper des Opfers die zweifache letale Dosis von Lidocain – und die vierfache der üblichen therapeutischen Dosis, was für den Staatsanwalt Anlaß genug war, um von vorsätzlichem Mord auszugehen.
Im bald darauf anberaumten Prozeß sagte übrigens die dem Patienten Price offiziell zugewiesene Pflegerin Marion Albright aus, daß sie bei ihrer Rückkehr aus der Mittagspause gesehen habe, wie Akin das Krankenzimmer verlassen habe. Als sie versucht habe, selbst nach dem Rechten zu sehen, habe sie Akin massiv daran gehindert, das Zimmer zu betreten.
Akins Verteidiger führte den Herzstillstand jedoch auf einen blockierten Belüftungsschlauch zurück und behauptete, daß die unverhältnismäßig große Menge an Lidocain auf den Einsatz des Ärzteteams zurückzuführen gewesen sei, weil Reanimationsmaßnahmen durchgeführt worden seien. Außerdem wies der Verteidiger auf verschiedene Widersprüche bei Zeugenaussagen und Unstimmigkeiten in den Krankenhausunterlagen hin. Er behauptete auch, daß Price das Lidocain wahrscheinlich selbst angefordert habe; falls aber doch nicht, so sei dies zu Unrecht in Rechnung gestellt worden.
Das Strafverfahren gestaltete sich als äußerst schwierig, zumal das Ganze auf einen reinen Indizienprozeß hinauslief. Obwohl das Gericht Akin für mindestens 18 Morde verantwortlich zu machen versuchte, reichte es letztlich nur zu einem Urteil auf „fünfzehn Jahre Gefängnis“ wegen des „Totschlags an Robert J. Price“, zu dem sich der Angeklagte im September 1992 – auf Anraten seiner Verteidigung – selbst bekannt hatte.
Akin wurde aber schon bald nach der doch recht „schieflastigen“ Verurteilung auf Bewährung wieder in die Freiheit entlassen.