Im Jahr 2007 kam es in der ukrainischen Millionenstadt Dnjepropetrowsk zu einer beispiellosen Mordserie, die von zwei jungen Männern begangen wurde, die aus sogenannten „guten Häusern“ stammten. Der Fall, der in die russische Kriminalgeschichte unter dem Schlagwort „Die Wahnsinnigen von Dnjepropetrowsk“ (Dnjepropetrowsk Maniacs) eingegangen ist, erlangte vor allem deshalb traurige Berühmtheit, weil die Mörder ihre ungewöhnlich brutalen Taten mit der Kamera ihrer Mobiltelefone gefilmt hatten, welche sie sich zu Hause genüßlich immer wieder anschauen wollten.
Die beiden 19jährigen jungen Männer Viktor Sayenko und Ihor Suprunyock ermordeten in knapp zwei Monaten, nämlich zwischen Juni und Juli 2007, 21 Menschen; der gleichfalls 19jährige Oleksandr Ganscha soll ihr Komplize bei zwei bewaffneten Raubüberfällen gewesen sein. (…)
Für die Morde hatten sie Hämmer und Schraubenzieher benutzt. Auf einem dieser Videos ist deutlich zu sehen, wie sie ihre Mordwerkzeuge in ihrem Auto verwahrt hatten, das sie am Waldrand stehen gelassen hatten. Am 11. Februar 2009 wurden alle Angeklagten für schuldig befunden. Suprunyock und Sayenko bekamen lebenslängliche Haftstrafen, Ganscha lediglich neun Jahre, was äußersten Unmut unter der Bevölkerung auslöste. Der Oberste Gerichtshof der Ukraine hat die lebenslänglichen Haftstrafen gegen Suprunyuk und Sajenko am 24. November 2009 bestätigt.
Die ersten beiden Morde wurden am 25. Juni 2007 verübt. Erstes Opfer wurde Ekaterina Ilchenko, eine 33jährige Frau, die mit ihrer Freundin zum Tee verabredet gewesen war und danach zu Fuß nach Hause gehen wollte. Als die Frau an Suprunyock und Sayenko vorbeigegangen war, eilte ihr Suprunyock nach und schlug ihr mit einem Hammer, den er unter seinem Hemd verborgen gehabt hatte, auf den Kopf. Die Ermordete wurde von der eigenen Mutter anderntags um fünf Uhr morgens entdeckt. Nur eine Stunde nach der Tat entdeckten die beiden jungen Männer auf einer Bank – ganz in der Nähe des ersten Mordes – den schlafenden Roman Tatarewitsch und erschlugen ihn gleichfalls. Dabei zertrümmerten sie den Schädel ihres Opfers derart, daß eine Identifizierung zunächst absolut unmöglich erscheinen mußte.
Am 1. Juli fanden sie in Evgeniya Grischenko und Nikolai Sertschuk zwei weitere Opfer, die gleichfalls „mit stumpfen Gegenständen“ ermordet wurden. Nur fünf Tage später töteten sie gleich dreimal: Ihor Nechvolada, der vor kurzem aus der Armee entlassen worden war, befand sich auf dem Heimweg von einem Nachtclub, als er den Beiden begegnete. Er wurde buchstäblich zu Tode geprügelt. Die Mutter fand die Leiche ihres Sohnes anderntags vor ihrem Wohnhaus. In der gleichen Nacht erschlugen sie außerdem zwei ihnen zufällig begegnende Frauen: Elena Shram und Valentina Ganscha (die übrigens mit dem gleichnamigen Komplizen nicht verwandt war).
Nur einen Tag später, am 7 Juli, wollten Andrej Sidyuk und Vadim Lyakhov, zwei 14jährige Jungen aus dem Ort Podgorodnoje, zum Angeln gehen. Sidyuk wurde umgebracht, Lyakhov gelang es, wie durch ein Wunder zu fliehen. Am 12. Juli wurde der 48jährige Sergej Yatzenko ermordet.
Zwölf weitere Morde folgten, oftmals wurden mehrere am gleichen Tag verübt. Das konnten alle möglichen Menschen sein: Kinder, Senioren, Obdachlose oder Betrunkene. Die tödlichen Schläge wurden meist auf den Kopf oder in die Gesichter gerichtet, so daß sie nicht wiederzuerkennen waren. Viele Opfer waren verstümmelt und gefoltert worden, einigen hatte man die Augen ausgestochen, während sie noch gelebt hatten. Einer schwangeren Frau hatten sie den Fötus aus dem Leib geschnitten. Sexueller Mißbrauch hatte dagegen nie stattgefunden.
Materielle Dinge waren den Ermordeten nur ganz selten entwendet worden; falls aber doch, dann waren es Mobiltelefone oder diverse Wertgegenstände, bei denen man vermuten konnte, daß die Täter sie eventuell zu Geld machen würden. (…)
Die Ermittler vermuteten schließlich, daß das wenige Diebesgut eventuell in Pfandhäusern lagern konnte, weshalb man dort Listen vorlegte und entsprechende Skizzen verteilte. Dieses Vorgehen erwies sich als erfolgreich. Am 23. Juli 2007 konnten Sayenko und Suprunyock festgenommen werden, als sie versuchten, ein paar Handys ihrer Opfer zu Geld zu machen. Ganscha wurde in der elterlichen Wohnung verhaftet; er hatte dort einige gestohlene Mobiltelefone durch die Toilette gespült.
Die Anklage ging bei Suprunyock von 21 Morden und acht Überfällen, bei Sayenko von 18 Morden aus. Ganscha warf man mehrfache Beteiligung an Raubüberfällen vor. Die drei Männer legten schnell Geständnisse ab, Suprunyock zog seines jedoch später wieder zurück. In dem ab Juni 2008 anberaumten Prozeß versuchte insbesondere Viktor Tschevguz, Suprunyocks Verteidiger, seinen Mandanten als „geistig unzurechnungsfähig“ hinzustellen, das Gericht erkannte allerdings auf volle Schuldfähigkeit.
Das Trio hatte die selbe Schule besucht, Suprunyock und Sayenko hatten nach dem Abschluß Arbeitsstellen gefunden: Der Erstere fuhr mit einem nicht lizenzierten Taxi, es war ein grüner Daewoo Lanos, der Zweite arbeitete für einen Metallurgiebetrieb. Ganscha dagegen war arbeitslos. Die beiden Mörder gaben an, schon früh unter ungewöhnlicher Höhenangst gelitten zu haben, außerdem fürchteten sie sich stets davor, von älteren Mitschülern verprügelt zu werden. Zur Überwindung der Höhenangst hängte sich Suprunyock stundenlang über das Balkongeländer der elterlichen Wohnung im 14. Stock eines Hochhauses; die anderen Ängste wollten sie durch bewußte Tierquälereien bekämpfen.
(…)
Der Fall fand übrigens noch ein höchst trauriges Nachspiel. Im April 2011 wurden der 19jährige Artjom Anufrijew und der 18jährige Nikita Lytkin in Akademgorodok (Irkutsk) verhaftet, weil sie mit sechs Morden und zahlreichen Überfällen – bei denen Sie sich eines Holzhammers und diverser Messer bedient hatten – die Mordserie von Dnjepropetrowsk „nachahmen“ wollten. Anufrijew wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe, Lytkin zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt.
Stark gekürzter Text. Der Beitrag findet sich vollständig in TOTMACHER 3 (Erscheinungstermin März 2015 im Verlag Kirchschlager).