Michael Kirchschlager: Der Hundssattler – ein historischer Serienmörder (um 1745)

Leben und Ende des berüchtigten Hundssattlers (um 1745), bearbeitet von Michael Kirchschlager

Lebe und genieße, so lange es geht, und wer dir im Wege steht, den schaffe beiseite.

Der unter dem Namen Hundssattler um die Mitte des 18. Jahrhunderts allgemein bekannte und gefürchtete Raubmörder Moring war der Sohn eines begüterten Beamten in Ungarn. 1 Obgleich der Vater den größten Teil seines Vermögens auf die gute Erziehung seines geistig und körperlich begabten Sohnes verwendete, schlug dieser einen anderen Weg ein.
„Im Taumel sinnlicher Lüste war ihm nichts mehr heilig, und er spottete über alles, was Bezug auf Moral und Religion hatte. Beim Anblick eines Geistlichen oder in Gegenwart einer kirchlichen Handlung, selbst dann, wenn er den Namen Gottes oder des Erlösers Jesus Christus nennen hörte, geriet er in eine ungewöhnliche Aufregung seines Gemütes, die er durch Schimpf- und Schmähworte oder durch andere ruchlose Reden zu dämpfen suchte.“2


Er trotzte bei jeder Gelegenheit der göttlichen Vorsehung auf eine satanische Weise.
Einige Jahre trieb sich Moring in Frankreich und Italien herum. Dann begab er sich nach Deutschland, wo er als Tabulettkrämer3, der mit Schnittwaren handelte, hauptsächlich Bayern, Württemberg und Österreich durchzog. Er führte zwei große Bullenbeißer (Doggen) mit sich, die auf Sätteln seine Waren trugen und war deshalb unter dem Namen „Hundssattler“ bekannt. Wegen seiner Bildung und seines ansprechenden Äußeren fand er selbst in vornehmen Gesellschaften Zutritt, und obwohl er mehrere Jahre das Handwerk des Raubmörders trieb, so kam doch Niemand auf den Gedanken, ihn für einen solchen zu halten.
Hauptsächlich schlug er in und um Augsburg seine Herberge auf, und verübte im Verbund mit vielen Spießgesellen, worunter sich allein neun Landwirte befanden, mehrere Mordtaten und zahlreiche Einbrüche. Sein bekanntester und nach ihm hingerichteter Raub- und Mordgenosse war der so genannte blaue Mathias.
Während er eines Tages einer Gräfin in Augsburg seine Waren feilbot und diese mit der Wahl eines Halsbandes beschäftigt war, entwendete Moring einen Ring von großem Wert, der der Familie besonders teuer war, weil sie ihn als ein Geschenk Kaisers Leopolds (1640-1705) betrachtete. Kaum aber hatte sich Moring entfernt, so wurde der Ring vermißt, und kaum vernahm dieser das Gerücht des auf ihm haftenden Verdachtes, als er sich augenblicklich in das gräfliche Palais begab und sich auf alle mögliche Weise von diesem Verdacht zu reinigen suchte. Er lenkte geschickt den Verdacht auf einen Bediensteten, der daraufhin verhaftet wurde. Tatsächlich fand man unter dessen Wertsachen den vermißten Ring.
Nach Morings späterem Geständnis tat er dies mehr aus Rache gegen den Diener, als aus Furcht vor der Entdeckung. Der Bedienstete hatte ihm den Eingang in das Haus der Gräfin verwehren wollen und ihn als einen vermeintlichen Dieb bezeichnet.
Einst kehrte er auf dem Weg zwischen Augsburg und Ulm in einem Wirtshaus an der Landstraße bei einem befreundeten Wirt ein. Dieser lenkte seine Aufmerksamkeit auf einen reichen Jude, der ein Kästchen mit Juwelen bei sich führte und vor einbrechender Nacht mit einem Boten weiter zu reisen gedachte.
Im nahen Wald wurde der Jude samt seinem Führer ermordet und in eine zwischen dichtem Gebüsch befindliche Felsenhöhle geworfen. Die Beute bestand jedoch nur aus 300 Talern. Ärgerlich über diese Täuschung, kehrte er zu seinem Bundesgenossen, dem Wirt, zurück. Als dieser nach dem Boten fragte, erfuhr er mit Schrecken dessen Schicksal. Der Wirt war zwar ein Bösewicht, vom Morden wollte er jedoch nichts wissen und machte dem Hundssattler deswegen Vorwürfe. Dieser antwortete entrüstet: „Ich sehe, ich darf in Zukunft nicht mehr auf deinen Beistand rechnen. Es tut mir um deinetwegen leid, denn du bist ein Thor, daß du gegen das Menschengeschlecht ein so unzeitiges Mitleid hegst. Nun, meinetwegen halt`s am Ende damit, wie du willst, nur laß dir nie einfallen, mich zu nennen, denn so etwas wäre ganz gewiß dein Verderben.“
Der Wirt stellte ihm nochmals vor, daß er wegen diesem an einem unschuldigen Menschen begangenen Mord einst schwere Rechenschaft werde ablegen müssen. „Pah“ erwiderte Moring, „wenn sich dein vermeintlicher Gott mir einmal leibhaftig präsentiert oder sonst sein Dasein ordentlich und handgreiflich dartut, will ich auch an ihn glauben. Bis jetzt bin ich von ihm noch nichts gewahr geworden, also ist auch keiner für mich da, und da auch noch kein Toter wiedergekommen ist, so ist es rein aus mit uns, wenn uns der Sensenmann den Garaus macht. Mein Grundsatz ist deshalb: Lebe und genieße, so lange es geht, und wer dir im Wege steht, den schaffe beiseite. Aus Spaß, Bruder, morde ich nicht, es muß etwas dahinter sein, und wer mich tritt, den trete ich wieder. Das kannst du dir merken, darum sei gescheit und schweige oder fürchte meine Rache!“
Im Einverständnis mit einem anderen Wirt an der Tiroler Grenze wurde ein junger Graf, der aus Italien zurückkehrend, seiner Heimat Franken entgegeneilte, nachts ermordet und sein Leichnam im Kellergewölbe des Wirtshauses vergraben.
In Ulm plünderte der Hundssattler mit seinen Helfershelfern die Kasse eines reichen Kaufmanns, indem er sich mittels einer Kiste, die diesem als Speditionsgut übertragen war, einschmuggelte und in der Nacht mit seinem Raub davonging.
In der Nähe von Bamberg plünderte er eine der reichsten Kirchen aus. Die Beute bestand aus zwei schweren, silbernen Kelchen, eine silberne Kanne, drei goldenen Hostienkästchen, zwei Messgewänder und mehrere silberne Leuchter. Die Bande zertrümmerte die Heiligenbilder, verunreinigte die Sakristei, die Kanzel und den Altar, und trieb im Haus Gottes den schändlichsten Unfug.
Nach dem Kirchenraub machten einige Kompanien Landmiliz Jagd auf die Räuber, allein ohne Erfolg. Moring, der sich nicht mehr sicher glaubte, schlug den Weg nach Eger ein. Tagsüber verbarg er sich in den Löchern und Höhlen des Waldes oder kehrte bei Hirten und Schäfern ein, und marschierte nur bei Nacht weiter. Den Tabulettkram hatte er aufgegeben, um in die Rollen eines reisenden Kaufmanns oder eines Grafen zu schlüpfen. Um seine beiden Hunde kümmerte sich unterdessen der blaue Mathias oder ein anderer seiner zahlreichen Bundesgenossen.
Als er sich in Gesellschaft angesehener Patrizier zu Nürnberg befand und ihm die Maske eines Grafen, den er früher ermordet hatte, abgenommen wurde, geriet er in große Bedrängnis. Seine Festnahme durch die Wache war schon gewiß, da entkam er noch rechtzeitig in ein nahe gelegenes Zimmer, riegelte hinter sich zu und schoß eine Pistole ab, von denen er immer zwei bei sich trug. Während man allgemein glaubte, daß sich der vermeintliche Graf erschossen habe und Anstalten zur Aufbrechung der Tür traf, hatte sich Moring durch einen Sprung vom Fenster in den in einem Zwinger gelegenen Garten gerettet. Von dort gelang es ihm, den zwischen Erlangen und Nürnberg gelegenen Wald zu erreichen, wo er zu seinen Raubgesellen stieß, mit denen er bereits den Kirchenraub begangen hatte.
Zu Eger lebte er in einem der ersten Gasthöfe in Saus und Braus. Dabei machte er Einkäufe, um im Innern des Landes seinen Tabulettkram fortzusetzen. Er beschränkte sich jedoch auf kleinere Tagesreisen, hielt sich meistens in Dörfern und in Flecken auf, wo er noch nicht gewesen war. Dabei setzte er sein früheres Handwerk fort und stahl, wo und wann sich ihm Gelegenheit bot.
Eines Abends nahm er in einer Dorfschenke Nachtquartier. Wegen Mangel an Betten mußte er sich mit den übrigen Gästen mit einem Strohlager begnügen. Er lag neben einem böhmischen Glashändler und einem jungen Mann, an dessen Seite sich ein stark bepacktes Felleisen4 befand. Er war ein Seifensieder aus Litzkow. Beim Frühstück erzählte dieser dem Hundssattler, daß er Frankreich, die Schweiz und Deutschland durchwandert und sich ein schönes Sümmchen erspart habe, womit er seine alten Eltern, die er seit zehn Jahren nicht mehr gesehen habe, zu erfreuen und in seiner Geburtstadt Meister zu werden gedenke.
Der Hundssattler, der aufmerksam zugehört hatte, erzählte gleichfalls von seinen Reisen, so daß beide bald vertraut miteinander wurden. Auch er gab an, daß ihn seine Geschäfte nach Litzkow führten, und daß es ihm lieb wäre, ihn dahin begleiten zu können. Sie würden sich, meinte er, gegenseitig durch die Erzählung ihrer auf ihren Wanderschaften gemachten Erfahrungen den langweiligen Weg verkürzen. Nachdem sie ihre Zeche bezahlt hatten machten sie sich auf den Weg, der sie in einen fast zwei Stunden langen Wald führte. Bei einem Seitenweg sagte der Hundssattler schließlich: „Hier können wir eine bedeutende Strecke abschneiden.“ Und ging voraus. Der arglose Jüngling folgte ihm. An einem Waldsee, der mit Hügeln und Felsen umgeben war, bedeutete der Hundssattler seinem Reisegefährten, daß er sterben müsse. Weder Bitten noch Jammergeschrei konnten den Mörder milde stimmen. Er gab seinen Doggen ein Zeichen und in kurzem war der Arme totgebissen und in Stücke zerrissen.
Diese warf der Hundssattler in den See, bemächtigte sich der wertvollsten Habseligkeiten des Ermordeten und schlug damit den geradesten Weg in Richtung bayerische Grenze ein. Von dort wandte er sich nach Norden und trieb noch längere Zeit seinen Hausierhandel im damaligen Fürstentum Bayreuth.

Wir folgen hier dem betreffenden Abschnitt aus der Erzählung „Leben und Ende des berüchtigten Hundssattlers“, die zweifellos eine moralisierende Wirkung auf den damaligen Leser haben sollte, sich wohl aber nicht so abgespielt hat:
Ein armer, aber ehrlicher Leineweber, Vater von sechs Kindern, bei welchem der Hundssattler bisweilen übernachtete, klagte diesem mehrmals vertraulich seine Not. Moring versprach, schnell zu helfen.
Eines Tages war die Not aufs Höchste angestiegen, da der arme Mann entweder zwei Gulden bezahlen oder sein Handwerkszeug auspfänden lassen sollte, während er keinen Kreuzer im Hause hatte. Stumm und traurig saß er hinter seinem Webstuhl. Das Weib weinte, die Kinder schrieen nach Brot. Während solchen Jammers bog jemand um die Hausecke. Dem Weber ging ein Stich durchs Herz, weil er meinte, es sei eine Gerichtsperson. Es war aber der ihm wohlbekannte Tabulettkrämer. Dieser trat in die Stube, in der er nur gebückt stehen konnte, bot einen guten Abend und packte dann seine beiden „Lasttiere“ ab.
„Laßt nach mit euerm Gewimmer!“ sagte er, als er dem Ding eine Weile zugesehen hatte. „Ich will mich ins Mittel schlagen. Ich habe gerade eine ziemliche Summe Geldes zu erheben, da könnt ihr Alter, mitkommen und mir tragen helfen. Überhaupt könnte ich euch Arbeit verschaffen, die hundert Mal ersprießlicher wäre, als eure Weberei.“
Hierauf warf er einen Sechsbätzner5 auf den Tisch und ließ Brot, Käse und Bier holen. Nachdem man sich gestärkt hatte, begaben sich die beiden Männer auf den Weg, der in einen Wald führte, den sie indes erst bei einbrechender Nacht erreichten. Auf einem Kreuzweg hielt der Hundssattler an und pfiff nach allen Seiten, worauf zehn Kerle aus den Sträuchern sprangen. Jetzt wußte der Leineweber, daß er unter die Räuber geraten war und bereute seinen Entschluß, mit dem Hundssattler mitzugehen.
Der Plan der Bande bestand darin, einen Müller in einem nahen, einsamen Tal, der vor einigen Tagen 3.000 Gulden kassiert hatte, zu berauben. Um Mitternacht gelangte man an der Mühle an. Als Lehrling des Räuberhandwerks mußte der Weber Wache halten, während die Kameraden einstiegen. Der Müller und seine Leute wurden geknebelt, aber man fand nicht, was man suchte. Dagegen packte man zusammen, was da war und stob von dannen. Im Wald wurde der Raub geteilt, wobei auf den Weber fünf Gulden fielen. Hierauf zerstreuten sich die Gauner, der Weber aber begab sich in Begleitung des Hundssattlers auf den Heimweg.
Nach dem Raub machte der Weber seinem Begleiter die bittersten Vorwürfe. Der Hundssattler hörte ruhig zu, dann antwortete er gelassen: „Das Geld behältst du, es ist dir unterdessen auch sauer genug geworden! Bedenke auch, daß du vielleicht schon in den nächsten Tagen mit Weib und Kindern verhungern kannst, wenn du so einfältig wärest, es nicht anzunehmen. Willst du übrigens aus frommer Dummheit durchaus ein armer Teufel bleiben, so bleibe es, nur halt reinen Mund, verstehe! Vergißt du dich in diesem Punkt, so gäbe ich für dein und der deinigen Leben keinen Pfifferling mehr. Siehe, das schwöre ich dir, du magst nun an einen Gott glauben oder nicht.“
Der Weber sah den Hundssattler schweigend an. Mit grauendem Morgen trennten sie sich und der Weber kehrte traurig zu den Seinigen heim. Mittlerweile kam die Polizei dem Hundssattler, der seine Räubereien immer verwegener trieb, auf die Spur. Er wurde verhaftet und zu Bayreuth festgesetzt. Da er nichts gestehen wollte, brachte man ihn auf die Folter. Doch auch dadurch brachte man ihn zu keinen Geständnissen. So wurde er endlich wieder frei gelassen und ihm sogar ein schriftliches Zeugnis ausgestellt, seinen Hausierhandel wieder nach Belieben fortsetzen zu dürfen.
Darauf gestützt, prahlte er in einem Wirtshaus in der Vorstadt von seiner Unschuld und schimpfte über die Stadtpolizei. Da nun gerade Jahrmarkt war, waren auch viele andere Gäste aus den benachbarten Ortschaften zugegen. Nun wollte einer der Gäste beim Eintritt des Hundssattlers bemerkt haben, daß er manchesterne Hosen trage, die sonst sein, des Beobachters, Eigentum waren und ihm unfeiwillig abgenommen wurden. Diese Ansicht teilte er einem anderen mit und bat ihn, auf den Prahlhans ein Auge zu haben, bis er wieder zurückkomme. Mit diesen Worten begab er sich hinaus.
Der Vertrauensmann aber, als er merkte, daß der Mann in den manchesternen Hosen seinem Krüglein auf den Boden sah, trat auf diesen zu und verwickelte ihn in ein Gespräch, bis endlich die Tür aufging und sein Nachbar mit einem Unteroffizier und zwei anderen Männern eintrat.
Der Hundssattler wurde erneut festgenommen und überstand auch jetzt die üblichen Folterqualen. „Da steckte man ihn in ein in Öl getauchtes, feines baumwollenes Hemd und zündete dasselbe an, daß es langsam zu verbrennen anfing. Dies verursachte ihm unerträgliche Schmerzen, und er versprach, alles zu gestehen.“6
Im Verhör erfuhren die Richter folgendes: „Nicht zufrieden damit, seit vielen Jahren, bald allein und bald in Gesellschaft, bald des Tags in Wäldern und auf der Straße, bald des Nachts durch gewaltsamen Einbruch zu rauben, hatte dieser Bösewicht auch eine ungeheure Menge Menschenblut auf sein Gewissen geladen: hatte nicht nur unschuldige Fremde, freundschaftliche Reisegenossen, sondern sogar sein eignes Fleisch und Blut gemordet: hatte, um gleichsam desto eigenthümlicher in seiner Art zu seyn, es nicht aus Habsucht allein, sondern auch aus einem Aberglauben gethan, in welchem Grausamkeit und Wahnsinn um den Vorzug wetteifern. – „Hättich nur den einzigen Tag, als ich gefangen ward, noch überstanden, (sagte er im Verhör mit halbem grimmigem Lachen) so hätt ich euch und eure Käfichte, eure Wachen und Henker verspotten können. Und warum das? – Weil ich an eben den Abend das neunte schwangere Weib zu ermorden dachte, und alle Gelegenheit dazu mir schon ausersehen hatte.“ – Ein allgemeines Erstaunen bemächtigte sich jezt der Gerichtspersonen; sie forschten weiter und genauer nach; und siehe da, der unglaubliche Bösewicht hatte schon acht schwangere Weiber gemeuchelmordet; aus ihren Leibern die Geburten gerissen, und die Herzen derselben, indem sie noch lebten, oder vielmehr zukten, gefressen. Ja, um dies abscheuliche Bubenstück recht vollständig zu machen, hatte seine eigne erste Frau, ein unschuldiges Geschöpfe, das ihn nie beleidigt, aber deren er bald überdrüßig geworden war, hatte sein eignes erstes Kind auch das erste Opfer abgeben müssen. Man schauderte bei diesem Geständniß zurück; aber man wußte nicht, was man vollends von der Ursache denken solte, die er angab. Der grausame Abergläubische hatte gehoft nach dem Genuß des neunten Herzens – fliegen zu können, wie ein Vogel.“ 7
Nach einer anderen Variante fand man bei ihm drei silberne Kapseln, in denen sich kleine Stückchen verschrumpften Fleisches befanden. Als man ihn fragte, was diese Kapseln enthielten, sagte er: „Als ich noch in Nantes lebte, machte ich mit einer klugen Frau Bekanntschaft, die in der dortigen Gegend weit und breit berühmt war. Diese vertraute mir einst an, daß ich meine Person unsichtbar machen könne, wenn ich sieben Herzen von sieben Neugeborenen Kindern in so vielen silbernen Kapseln bei mir trüge. Mein Unglück hat gewollt, daß ich sie nicht alle sieben in meine Gewalt bringen konnte, sonst hätte ich auch eure Kerker und Henker verspotten können.“8
Einen weiteren Raubmord beging er an der einzigen Tochter eines angesehenen Bürgers in Eger, die er unter dem Versprechen, sie zu heiraten, verführte und dann vergiftete. Um jedoch allen Verdacht von sich abzuwälzen, versteckte er im Kleiderschrank des Mädchens einen Brief, der in täuschend nachgeahmten Zügen das Geständnis enthielt, sie habe sich aus Schamgefühl wegen ihres Fehltrittes selbst vergiftet, wobei ein im besten Ruf stehender junger Mann als Verführer genannt wurde.
Nach diesem Geständnis verlangte man von ihm, daß er seine Mitschuldigen angebe, er aber schwieg. Erst als man ihn wieder das Exerzitium mit dem ölgetränkten Hemd in Erinnerung brachte, sprach er: „Wohlan denn, einen will ich angeben, dessen wahren Namen ich kenne. Dieser war mein treuester Bundesgenosse bei allen meinen Räubereien. So einfältig er sich dann auch stellen wird, so hat er doch mindestens so viel zu bekennen, wie ich selbst.“ Er nannte den armen Weber.
Auf diese Anklage hin wurde der Unglückliche verhaftet. Sein Weib, die eben zum siebenten Mal schwanger war, fiel in Ohnmacht, er selbst wurde in einem Zustand völliger Betäubung gefesselt von den Gerichtsdienern auf den Wagen gebracht und dem Kriminaluntersuchungsgericht übergeben. Beim ersten Verhör gestand er schon alles, was er getan hatte, konnte aber begreiflicherweise nur bekennen, daß er notgezwungen beim Einbruch in die Mühle Wache gestanden hatte. Das stimmte aber nicht mit den Aussagen des Hundssattlers überein. Sie wurden daher einander gegenübergestellt. Der Weber wurde starr vor Schrecken, als er alle Beschuldigungen des Hundssattlers vernahm, und bat ihn unter Tränen, sich doch nicht so an ihm zu versündigen. Allein der Bösewicht blieb dabei und erbot sich, auf diese Aussage zu sterben.
Weil nun der Weber nichts gestand, wurde er auf die Folter gebracht. So oft er sich unter den Henkershänden befand, gestand er vor Schmerzen alles, sobald man aber mit der Marter nachließ, leugnete er.
Endlich wurden die Akten geschlossen und dem obersten Gericht übergeben. Dies erkannte, daß der Weber gehängt, der Hundssattler aber gerädert werden sollte. Zudem sei jeder drei Tage nacheinander mit Ruten zu peitschen und beide in dem Landstädtchen nahe der Mühle, wo das letzte größere Verbrechen begangen worden war, am Tag vor der Hinrichtung an den Pranger zu stellen. Die Vollziehung des Urteils wurde dem dortigen Blutgericht übertragen.
Das Mitleid mit dem Leineweber war in der Gegend allgemein, denn jedermann hielt ihn für unschuldig, nur daß er nicht hätte mitgehen sollen, war die allgemeine Stimme. Der Pfarrer, der ihn kopuliert (getraut) hatte, besuchte ihn oft und suchte ihn durch Trostgründe der Religion aufzurichten. Auch betete er mit ihm auf die rührendste Weise, so daß der Unglückliche endlich Mut faßte und sich kindlich der Fügung Gottes übergab. Seine Frau bat Gott um Rettung. Kaum erhielt sie indes die Erlaubnis, ihren Mann zwei Mal im Gefängnis zu besuchen zu dürfen. Als aber der Tag seiner Hinrichtung sich nahte und ihm die Armesünderkleidung angelegt wurde, um zum Pranger geführt zu werden, riß sie sich los von ihm und eilte, der Verzweiflung nahe, fort, um bei ihrem Landesfürsten Gnade für ihren Mann zu erflehen.
In Bayreuth warf sich die Frau des Leinewebers vor die Füße der Markgräfin und erwirkte eine Begnadigung des Markgrafen. In aller letzter Sekunde – der Leineweber hatte schon den Strick um den Hals – erreichte der Bote das Hochgericht.
Nun entstand unendlicher Jubel unter den Tausenden, und die Freude über die Begnadigung des Webers war allgemein. Aber niemand mehr wurde hierdurch mehr erschüttert, als der Hundssattler, der bisher an keinen Gott und keine Ewigkeit geglaubt hatte, der im Gefängnis auf alle Trost- und Gnadenmittel der Kirche verzichtet und in rohem Stolz bemerkt hatte, er wisse als Mann zu sterben, und auch auf dem Weg zum Hochgericht keine Spur von Sinnesänderung zeigte. Er hatte sogar, als der Stab über ihn und den Weber gebrochen war, mit teuflischer Schadenfreude gespottet: „Das soll meine letzte Freude sein, zuzusehen, was dieser fromme Dieb bei seinem Abschied für Gesichter schneiden wird.“
Als aber die Stimme erscholl, die dem Unschuldigen Gnade verkündigte, da wurde der Hundssattler bleich wie ein Leichentuch und rief, auf seine Knie stürzend: „Ja, wahrlich, es ist ein Gott und eine Vorsehung, die ich bisher frech geleugnet. Ich nahm mir vor, sie auf die Probe zu stellen, und glaubte bereits gewonnen zu haben. Nun sehe ich, daß ich doch verliere.“
Auf die Frage des Geistlichen, wie er das meine, antwortete er: „Der Weber ist unschuldig, denn Schildwache bei der Mühle stand er nur gezwungen und nahm auch nur gezwungen an der Beute Teil. Ich verklagte ihn nicht aus Feindschaft oder Rachgier, sondern ich wollte bloß sehen, ob es eine göttliche Gerechtigkeit gebe, die den Unschuldigen rette. Jetzt erkenne ich mit Schrecken, daß ich einen Richter übe mir habe, und daß die nahe Marter wohl nicht die letzte sein werde. Ich bitte, mich zurückzubringen, damit ich mich vor meinem Tode noch völlig bekehren kann.“
Der Geistliche berichtete dem neben dem Richtplatz verweilenden Amtmann von diesem Vorgang und sprach dann, während man die Antwort über die zu machenden Maßregeln erwartete, bald an den Delinquenten, bald an das Volk gewandt, einige eindringliche Worte, indem er zeigte, daß es frevelhaft sei, Gottes Vorsehung auf eine solche Weise zu versuchen. Denn nach ihrem unerforschlichen Ratschluß gefalle es ihr nicht jedes Mal, wie hie geschehen, die Unschuld vor den Augen der Welt zu retten.
Die Bitte des Hundssattlers wurde gewährt und man führte ihn ins Gefängnis zurück. Sein Gewissen war erwacht, sein hartes Herz erweicht, seine Seele erschüttert. Er bestätigte nochmals die Unschuld des Webers und gab seine Mitschuldigen gewissenhaft an. Dann bereitete er sich reuevoll zum Tode, und als er zum zweiten Mal zum Richtplatz geführt wurde, klagte er sich öffentlich als den größten Verbrecher an und starb als bußfertiger Sünder.
Halb ohnmächtig wurde der Weber heruntergetragen, und die übermäßige Freude hätte ihn schier das geschenkte Leben kosten können.
Belassen wir es dabei. Ende gut, alles gut.

Quellen und Literatur: Leben und Ende des berüchtigten Hundssattlers (um 1745)

August Gottlob Meißner: Der Hundssattler und der Leineweber. Kriminalanekdote. Nr. 5. In: Neues Deutsches Museum, 4. Bd., Leipzig 1791, S. 457-482.

Johann Ernst Daniel Bornschein: Der Hundssattler oder Scenen aus dem Leben eines Bösewichts, Eisenberg 1805.

Moring, oder der Hundssattler. In: Gallerie der Verbrecher, Bd. 2, Sondershausen 1820.

August Leibrock: Matthias Klostermeier der furchtbare Wildschützenhauptmann in Baiernland. Ein Seitenstück zum Hundssattler. Nach den Criminal-Akten neu bearbeitet. Leipzig 1831.

Leben und Ende des berüchtigten Hundssattlers. In: Die interessantesten Kriminalgeschichten aus alter und neuer Zeit. Ein Buch zur Unterhaltung, Warnung und Belehrung für Jung und Alt, nach den vorgelegenen Akten bearbeitet und herausgegeben von einem vieljährigen höhern Gerichtsbeamten. St. Gallen 1865, S. 364-377.

Der Hundssattler oder: Szenen aus dem Leben eines Bösewichts : Ein Beytrag zur Gallerie Menschlicher Teufel. Hrsg. v. d. Verf. des Romans: Caronato der Schreckliche (d. i. Johann Daniel Bornschein) Eisenberg 1821.

Sofern nicht anders angegeben, wurden die Illustrationen entnommen aus: Sallo Sallini, der furchtbarste Räuberhauptmann in Italien und Böhmen. Eine Räuber- und Geistergeschichte. In: Der Abendstern. Ein Blatt für Jedermann. Redigiert, gedruckt und verlegt von J. G. Seyfert, Zwei Bände, Zittau 1853.