Peter Stubbe – Der Werwolf von Bedburg (Köln, 1589)

Viel früher als die serbischen Vampire oder deren preußische Vertreter – Gierfraß oder Gierrach – verbreiteten die schon im nordischen Sagenkreis auftauchenden Werwölfe (Mannwölfe) unter unseren Vorfahren Angst und Schrecken. Erstmalig mörderisch tauchten sie, eine Jungfrau von fünfzehn Jahren und kleine Kinder verschlingend, um 1400 in Thüringen auf. Doch am schlimmsten sollten sie während des Hexenwahns (etwa von 1570-1650) wüten, selbst wenn die 250 überlieferten Werwolffälle bei weitem nicht an das Ausmaß der Hexenprozesse heranreichen.


Der deutsche Werwolf par exzellence stammt aus Bedburg bei Köln und hieß Peter Stubbe.  Überliefert ist dieser Fall in einer englischen Quelle, deren deutsche Vorlage im Juni 1590 aus Bedburg, wo Stubbe hingerichtet wurde, nach England gelangte.
Doch hören wir uns in leicht gekürzter, bearbeiteter Form und im Stile jener Zeit an, wessen man den Bauern Peter Stubbe, der um 1525 geboren wurde, beschuldigte:
Wir beginnen mit seiner Kindheit, in der er schon einen großen Hang zum Bösen gehabt haben soll (…) Neben seiner Schwester trieb es ihn zu seiner aufregend schönen Gevatterin, Katherine Trompin, die er durch seine schmeichlerischen Reden gewann.
In der Blüte seiner Kraft zeugte er einen Sohn, den er sein Herzensglück nannte. Jedoch dürstete ihn sogar nach dem Blut seines eigenen Sohnes. In einem nahen Wald sprang er in Gestalt und Erscheinung eines Wolfes verwandelt seinen eigenen Sohn an und stürzte sich so grausam auf ihn, daß er zu Boden fiel. Augenblicklich fraß er das Hirn aus seinem Schädel, wie eine besonders schmackhafte und leckere Köstlichkeit, gerade recht, seinen unbändigen Hunger zu stillen. Dies war die abscheulichste Tat, die man jemals von einem Menschen berichtete: vollkommen entartet.
Lange Zeit setzte er dieses gemeine und schurkische Leben fort, manchmal in der Gestalt als Wolf, manchmal als Mann. Manchmal in den Ortschaften und Städten, ein andern Mal im Unterholz der Wälder, welche sie begrenzten. Wie die Flugschrift glauben macht, tötete er eines Tages zwei Männer und eine Frau, wobei er heftiges Verlangen spürte, sie alle zu töten. Nachdem er die Frau vergewaltigt hatte, brachte er sie grausam um. Die Männer fand man später zerfleischt im Wald. Die Leiche der Frau wurde nie wieder gefunden. Der Unhold hatte sie wolfshungrig verschlungen. Er schätzte ihr süßes, köstliches Fleisch. (Peter Stubbe soll über einen Zeitraum von 25 Jahren all die ihm vorgeworfenen Greueltaten verübt haben.) Die Bewohner von Köln, Bedburg und Epprath wagten nicht mehr zu reisen und wenn, dann nur in Geleitschutz.
Zu ihrem Leidwesen und mit wehem Herzen fanden nämlich die Einwohner weit verstreut über die Felder die Arme und Beine toter Männer, Frauen und Kinder. Sie wußten, daß alles dieses von jenem seltsamen und greulichen Wolf verübt worden war. Sie hatten keine Ahnung, wie sie ihn fassen und überwältigen könnten. (…)
Um ihn zu fangen, hielten sie ständig große Bulldoggen und äußerst kräftige Doggen. Letztlich aber, als sie bereit waren und ihn suchten, da gefiel es Gott, daß sie ihn in seiner wölfischen Gestalt erspähten. Sofort setzten sie ihre Doggen auf ihn an, daß es für ihn keine Aussicht auf Flucht gab. In so günstiger Situation standen sie ihm noch nie gegenüber. (…)
Als man ihm so hart auf den Fersen war, schlüpfte Peter Stubbe aus seinem Gürtel und kam sofort in seiner wahren Gestalt zum Vorschein. Dabei hatte er einen Stab in der Hand wie jemand, der zur Stadt gehen wollte. Aber die Jäger, deren Augen fest auf die Bestie gerichtet waren, sahen ihn eben an derselben Stelle ganz gegen ihre Erwartung verwandelt. Es ergriff sie eine unbeschreibliche Verblüffung. Sie hatten tatsächlich denselben ergriffen, der ein Teufel in Menschengestalt war. Aber genauso gut erkannten sie ihn als alteingesessenen Bewohner des Städtchens. Sie gingen auf ihn zu und sprachen mit ihm. Dann zwangen sie ihn, mit ihnen nach Hause zu gehen, und da fanden sie schließlich bestätigt, daß er wirklich Peter Stubbe war. Daraufhin schleppten sie ihn vor Gericht, damit er verhört werde. Nach seiner Verhaftung wurde er kurzerhand in die Folterkammer der Stadt Bedburg gebracht. Da er sich vor der Folter fürchtete, war er bereit, sein ganzes Leben zu offenbaren. Er schilderte seine Boshaftigkeiten, die er in 25 Jahren verübt hatte. Er bekannte auch, wie er sich durch Hexerei beim Teufel den Gürtel besorgte, der ihn umgelegt zum Wolf machte. Er sagte aus, daß er den Gürtel bei seiner Verhaftung in einem bestimmten Hohlweg weggeworfen und dort liegengelassen habe. Als dies die Richter hörten, schickten sie jemand in diesen Hohlweg, um den Gürtel zu suchen. Aber die Nachforscher fanden nichts. Also nahm man an, daß er zum Teufel gegangen sei. (…) Am 31. Oktober 1589 erlitten sie in Bedburg in Anwesenheit zahlreicher Adliger den Tod.
Die ganze Geschichte – gehen wir zuerst einmal nicht von einem Serienmörder aus – erinnert stark an das Wüten der Bestien von Fontainebleau und Gevaudan und deren Ende.

Die Bestie von Fontainbleau

Im März 1653 fing man im Forst bei Fontainebleau ein unbekanntes Wild und grausames Tier. Man hielt es für eine Wölfin, die ihre Jungen in diesem Wald geworfen hatte und sich bisher von allerlei Aas ernährt hatte.
Innerhalb eines Jahres soll das Raubtier mehr als 140 Menschen zerrissen und gefressen haben. Jedermann geriet in dieser Gegend in großen Schrecken. Eine Zeitlang spürten ihm viele Jäger nach und wollten es erledigen, aber es war alles vergebens. Endlich bestellte man zwölf der besten Schützen, die sich hinter einem Gesträuch an einer Wiese verborgen hielten. Sie ließen eine Herde Schafe durch eine Weibsperson, die sie hütete, dort vorbeitreiben. Man wußte, daß die Bestie viel eher Frauen als Männer oder junge Knaben anfiel. Nachdem das Weib die Schafe vorbeitrieb, stellte sich die Bestie auch ein. Und wie das Tier gerade auf die Hüterin ansetzen wollte, gaben die zwölf Jäger auf einmal Feuer und legten es zu Boden. Nachdem es getötet war, weidete man es aus und fand in seinem Gedärm einen Menschenfinger mit einem kostbaren Ring daran. Weil nun der König von Frankreich dieses Monstrum zu sehen begehrte, brachte man es zu ihm. Über Ostern wurde es von zahlreichen Menschen besichtigt. Etliche Tage später zog man ihm die Haut ab und stopfte sie mit Heu aus. Seine Hinterfüße sollen wie die eines Löwen oder Greifen und die Vorderfüße wie die eines Bären gestaltet gewesen sein. Der Kopf soll dem eines Bären oder vielmehr Tigers geglichen haben. Der Bauch und Schwanz ähnelte einem Windspiel. Die Farbe war bräunlich anzusehen.

Die Bestie des Gevaudan

1765 wütete die Bestie des Gevaudan, zweifellos ein Wolf, was auch Kinder aussagten, wenngleich ein ziemlich großer, und auch hier ähneln sich die Erlebnisse der Zeugen.
Im Mai 1765 griff der Wolf einen Knaben an, der einige Hornviecher hütete. Er lief zu einem Ochsen, ergriff ihn beim Schwanz und hielt sich beständig daran fest. Der Ochse stellte sich dem wilden Tier mit seinen Hörnern kämpfend entgegen, brachte es dadurch zur Flucht und rettete damit seinem kleinen Hüter das Leben.

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt! Der vollständige Text von Michael Kirchschlager findet sich in „Historische Serienmörder I“.