Gerd Frank: DIE SPINNENMORDE – Der Fall Said Hanai (2000-2001)

Said Hanai war einer der schlimmsten Serienmörder in der Kriminalgeschichte des Iran. Der 1962 geborene Bauarbeiter gestand vor Gericht, in den Jahren 2000 und 2001 insgesamt 16 Frauen in der Stadt Maschhad ermordet zu haben. Das Gericht vermutete allerdings, daß es sogar 19 oder mehr gewesen sein könnten. Maschhad ist die Hauptstadt des iranischen Bundesstaates Razavi-Chorasan im Nordosten und die zweitgrößte Stadt des Landes. Es ist eine der sieben heiligen Stätten des schiitischen Islams, weil dort die Gouhardschad-Moschee liegt. Diese Stadt ist ein politisches und religiöses Zentrum. Zur Verhaftung war es erst gekommen, nachdem das Parlament den Fall den höchsten Landesbehörden übertragen hatte. Der Sicherheits- und Geheimdienstchef waren eingeschaltet, eine Spezialeinheit der Polizei nach Maschhad beordert worden. Hanai hatte ausnahmslos Prostituierte und Drogenabhängige ermordet, die er verantwortlich dafür machte, seine Nachbarschaft sittlich verdorben zu haben. Sie hätten die Schuld gehabt, daß auch seine Frau für ein Straßenmädchen gehalten worden sei. Manche Menschen im Iran waren der Meinung, daß die Prostituierten nur das bekommen hätten, was sie verdienten, deshalb hatte sich am Tag der Verhaftung Hanais sogar eine Schar von Sympathisanten vor dessen Haus versammelt.

Der Mann hatte seine 20 bis 50jährigen Opfer mit deren eigenen Kopftüchern erwürgt. In der iranischen Presse wurden die Verbrechen als „Spinnenmorde“ bezeichnet, um zum einen die Rücksichtslosigkeit und zum anderen die Tötungsart zu beschreiben. Andere waren der Ansicht, der Mörder habe die Kopftücher auf die gleiche Weise verwendet, wie eine Spinne ihr Netz webe, um ihre potentiellen Opfer in die Falle zu locken.

Die Frauen habe er bei Fahrten mit dem Auto oder Motorrad ausgewählt und mit nach Hause genommen – allerdings immer nur dann, wenn seine Gattin und die drei Kinder nicht da gewesen seien. Dort habe er sie dann mit ihren Kopftüchern erwürgt, die Körper vollständig in einen schwarzen Tschador gewickelt und dann in den Rinnstein von Straßen geworfen. (…)

Festgenommen wurde er, als eines seiner Opfer Verdacht geschöpft, ihm einen Schlag in den Bauch versetzt hatte und weggelaufen war. Die Frau hatte den Vorfall ein paar Tage später angezeigt.

Nach Hanais Verhaftung starteten einige religiöse Fanatiker zunächst eine regelrechte Kampagne zu seiner Unterstützung. Ein Anwalt meldete sich sogar freiwillig, um ihn vor Gericht zu vertreten. Doch als ziemlich schnell klar wurde, wie es um Hanais Moral und Religion wirklich bestellt war – er hatte nämlich viele weitere Prostituierte in sein Haus gebracht und mit mindestens 13 von ihnen auch Geschlechtsverkehr gehabt –, gaben sie ihr Vorhaben wieder auf. (…)

Vor Gericht behauptete er zunächst, daß er Frauen, die auf Abwegen wandelten, lediglich habe einschüchtern wollen. Angeblich soll es davon 80 weitere Personen gegeben haben. In Verhören gab er an, mit den Morden erst begonnen zu haben, als man seine eigene Frau für eine Hure gehalten habe. Für ihn sei die überaus große Anzahl von Prostituierten in der Stadt für den moralischen Werteverfall verantwortlich gewesen, schließlich habe er angenommen, daß die „Beseitigung solcher Frauen“ eine religiöse Pflicht sei. „Diese Frauen waren wie Kakerlaken für mich. Zuletzt konnte ich nicht einmal mehr einschlafen, wenn ich nicht eine von ihnen getötet hatte.“ Reue für seine Taten zeigte er nicht. „Wenn ich nicht gefaßt worden wäre, hätte ich 150 oder mehr umgebracht“, erklärte er. […]

Hanai war er erst zwei Jahre nach dem ersten Mord gestellt worden. Deshalb waren viele Iraner auch der Ansicht, daß die Polizei eventuell aus religiösen Gründen besonders nachlässig nach dem Täter gefahndet hatte. Hanai wurde im Prozeß für schuldig befunden und in den frühen Morgenstunden des 8. April 2002 im Gefängnis von Maschhad gehenkt.